Was passiert, wenn sich eine Art zu schnell entwickelt? Dann könnte sie in eine evolutionäre Sackgasse geraten. Im Prinzip bedeutet das, dass sie aktuell zu erfolgreich ist für eine gute Zukunft. Aus ursprünglich erfolgreichen Innovationen ergeben sich Sackgassen, die sich längerfristig als nachteilig herausstellen und ein Risiko für das Fortbestehen der Art darstellen. Die Menschheit droht laut des schwedischen Wissenschaftlers Peter Søgaard Jørgensen in 14 solche evolutionäre Fallen zu geraten: «So wie viele Insekten vom Licht angezogen werden, also einem evolutionären Reflex, der sie in der modernen Welt töten kann, so besteht auch für die Menschheit das Risiko, dass sie auf neue Phänomene in einer schädlichen Art und Weise reagiert.»

Ein Beispiel für eine solche evolutionäre Sackgasse ist die Vereinfachung der Agrarsysteme. Das Vertrauen auf wenige hochproduktive Pflanzen wie Weizen, Reis, Mais und Soja habe bewirkt, dass die im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts hergestellten Kalorien sprunghaft angestiegen sind. Gleichzeitig sei das Nahrungsmittelsystem sehr anfällig für Veränderungen der Umwelt geworden. Würde nun ein global auftretender Krankheitserreger eine dieser Nahrungsquellen vernichten, so würde die Weltgemeinschaft vor einem riesigen Problem stehen.

Tatsächlich sieht es nicht besonders gut aus für die Menschheit, denn wir stecken laut Søgaard Jørgensen bereits tief in 12 der 14 evolutionären Sackgassen. Und der Trend geht dazu, dass wir uns immer weiter in alle 14 Sackgassen hineinmanövrieren. Beispiele dafür sind:

  • Erhöhte Ansteckungsgefahren durch die globale Vernetzung, was sich in Pandemien wie der von Covid-19 äussert
  • Chemische Umweltverschmutzung durch die Herstellung komplexer und zersetzungsresistenter Stoffe, die lange in der Umwelt verbleiben und Menschen und dem Ökosystem schaden
  • Technologisches Kräftemessen zwischen Nationen, was auch zur Entwicklung destruktiver Inventionen wie Massenvernichtungswaffen führt
  • Desinformationen verbreiten sich durch Digitalisierung schneller und effizienter (Fake-News)
  • Ausbeutung natürlicher Ressourcen, welche sich weniger schnell regenerieren können, als sie verbraucht werden

«Besorgniserregend ist auch, dass sich die evolutionären Fallen gegenseitig verstärken», so Peter Søgaard Jørgensen. Der übermässige Verbrauch von Ressourcen zum Beispiel heizt lokale und globale Konflikte an. Bleiben Gesellschaften in einer Sackgasse stecken, ist es wahrscheinlicher, dass das auch bei anderen der Fall sein wird, so der Experte.

Die Forschungsergebnisse bedeuten jedoch nicht, so die Studie, dass die Menschheit dazu verdammt sei, zu scheitern. Es sei jedoch nötig, dass sich die Gesellschaften aktiv transformierten. Søgaard Jørgensen nach ist es an der Zeit, sich der neuen Lage bewusst zu werden und sich kollektiv in die Richtung zu bewegen, wohin sich die ganze Spezies entwickeln soll. Angesichts des Interessenskonflikts zwischen aktuellem Vorteil und langem Fortbestand der Gesellschaft, die viele der evolutionären Sackgassen ausmachen, bleibt es jedoch fraglich, ob die Menschheit kollektiv dazu in der Lage ist.