Igitt!
Insekten, Würmer, Blutegel: Warum ekeln wir uns vor Tieren?
Um manche Tiere machen wir gerne einen grossen Bogen, weil wir uns ekeln. Warum das so ist, versuchen verschiedene Theorien zu erklären.
Schleimige Schnecken, sich ringelnde Würmer, fette Maden und haarige Spinnen lösen bei den meisten Menschen ein unangenehmes Gefühl hervor: Ekel. Er dient dabei ursprünglich einem wichtigen Zweck, denn er soll uns vor Krankheiten schützen. Die körperliche Reaktion von Ekel zeigt das deutlich. Übelkeit, Würgen und Erbrechen hindern uns daran, aus Versehen etwas zu verschlucken oder im Magen zu behalten, was uns krank machen kann. Auch zieren wir uns ganz besonders davor, etwas anzufassen, was wir als eklig empfinden. Bei manchen mit Ekel behafteten Tieren ergibt dies durchaus Sinn. Die Maden von Fliegen und verschiedenen Käfern entwickeln sich in Kadavern, also in verwesendem Fleisch. Ihre Anwesenheit warnte folglich bereits unsere Vorfahren vor potenziellen Schäden, nämlich davor, verdorbenes Fleisch zu essen oder eine Gefahr zu übersehen, durch die sie wie der tote Artgenosse enden könnten.
Andere als eklig empfundene Tiere sind Krankheitsträger, wie Mäuse, Ratten oder verschiedene Gliedertiere. So würden die meisten viel eher einen Schmetterling tolerieren, der auf ihnen landet, als zum Beispiel eine Zecke. Im Gegensatz zu den Blutsaugern, welche Krankheiten wie Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis übertragen können, sind die bunten Falter überaus harmlos. Spinnen wiederum lohnt es sich zumindest in manchen Teilen der Erde zu vermeiden, weil ihr Biss durch die menschliche Haut dringen und je nach Art zu Schmerzen bis hin zu starken Vergiftungserscheinungen führen kann. Hier wird der Ekel oft durch eine offenbar angeborene Angst verstärkt. Ähnlich verhält es sich bei Schlangen, die ebenfalls mehrheitlich durch eine Mischung von Furcht und Ekel gemieden werden. Interessanterweise scheint unser Gehirn jedoch nicht zu unterscheiden, ob eine Spinne oder Schlange tatsächlich giftig ist, auch wenn wir dazu durchaus in der Lage wären. Gerade was Spinnen betrifft, dürfte die Gefahr, in unseren Breitengraden durch sie Schaden zu erleiden, sehr gering sein.
Angeboren oder erlernt?
Jakob Fink-Lamotte forscht am Departement für Psychologie der Universität Potsdam (Deutschland) am Gefühl des Ekels. Er vermutet: «Wahrscheinlich kommt der Ekel vor bestimmten Tieren von einer Kombination aus Lernverhalten, Beobachtungslernen und der sogenannten Preparedness-Idee». Kinder lernen nicht nur durch eigene Erfahrungen, sondern auch durch das Beobachten zum Beispiel der Eltern. Was diese als eklig empfinden, überträgt sich oft auf den Nachwuchs, auch wenn Kinder von Natur aus das meiste erst einmal spannend finden. Wer als Kind anerzogen bekommt, dass Schnecken eklig sind, der wird auch später noch Ablehnung gegenüber den Kriechtieren empfinden. Zuletzt geht die Preparedness-Idee (zu Deutsch etwa «Vorbereitet sein») davon aus, dass es sich im Laufe der Evolution als vorteilhaft erwiesen hat, gewisse Dinge von vornherein zu meiden. Der empfundene Ekel ist dann ein angeborenes Abwehrverhalten, welches nicht erst erlernt oder beobachtet werden muss.
«Gegen die Preparedness-Idee spricht, dass man mit entsprechenden Therapien die Angst zum Beispiel vor Spinnen verlieren kann», relativiert Fink-Lamotte. Das spreche dagegen, dass das Ekel- und Angstgefühl angesichts der Achtbeiner einen evolutionär verankerten Ursprung hat. Auch bei Erwachsenen oft mit Ekel behaftete Tiere wie Frösche, Würmer oder Mäuse lösen zumindest bei kleinen Kindern keine scheinbar angeborene Abwehrreaktion aus. «Stattdessen gibt es wahrscheinlich viele kulturelle Aspekte wie die Sprache und Erfahrung, die wesentlich dazu beitragen, was wir als eklig erleben und was nicht», so der Psychologe. Wie mit der Angst verhält es sich so durchaus auch mit dem Ekel: Das Gehirn bewertet Erlebtes nicht immer rational. Denn von Regenwürmern, Fröschen und Schnecken geht rein objektiv bekanntlich keine Gefahr aus.
Ekeln sich Tiere?Eine 2023 im renommierten Wissenschaftsmagazin «Journal of Animal Ecology» erschienene Studie bestätigt, dass auch verschiedene Tiere Ekel empfinden können. Gorillas zum Beispiel vermeiden Gruppenmitglieder mit Hautkrankheiten, wahrscheinlich, um sich nicht mit dem auslösenden Krankheitserreger anzustecken. Ähnlich wie Menschen ziehen Schimpansen ihre Hand zurück, wenn diese eine weiche, feuchte Substanz ausserhalb ihres Sichtfeldes berührt. Bonobos, normalerweise sehr neugierige Affen, zeigen sich gegenüber angebotenem, unbekanntem Futter zurückhaltend, wenn dieses verschmutzt ist. Besonders interessant: Ähnlich wie bei Menschen zeigten junge Affen vergleichsweise wenig Abneigungsverhalten. Wissenschaftlerinnen vermuten, dass das verminderte Ekelgefühl helfen könnte, sich harmlosen Erregern auszusetzen, um so das Immunsystem zu trainieren.
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