Ein Weiher, dahinter Sumpfland, das in Wald übergeht. Hier müsste er sein. Doch keine Spur des riesigen Tiers. Stefan Eichholzer lacht und sagt: «Unser Elch-Trio hält sich heute im oberen Bereich auf.» Der Wildtierpfleger des Tierparks Langenberg in Langnau am Albis (ZH) fährt mit einem Elektromobil durch den Westteil des Parks und erklärt: «Der Elch badet gerne, frisst Wasserpflanzen, er taucht und schwimmt gut.» Der Weg ist lang.

«Unsere Elchanlage ist 27 000 Quadratmeter gross und in vier Bereiche unterteilt», erzählt der Experte und erklärt das besondere Haltungssystem. «Hier leben abwechselnd Elche, Przewalski-Pferde und Rehe.» Rehe und Elche hielten sich oft gleichzeitig in derselben Anlage auf. Da die Bereiche so gross sind, begegnen sich die Tiere kaum. Zum Vergleich: Die Schweizer Tierschutzverordnung schreibt 800 Quadratmeter für drei Elche vor.

[IMG 2]

Der Gehegewechsel hält die Tiere geistig fit. Sie müssen sich immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen, nehmen andere Gerüche wahr. Auch weil Elche und Wildpferde verschiedene Gräser und Kräuter fressen, ist eine Haltung der gleichen Arten im Wechselsystem sinnvoll.

Plötzlich löst sich ein Elch aus dem Dickicht, gerade so wie am Rand eines skandinavischen Sumpfs. Bäume, Sträucher, Grasflächen, alles wirkt natürlich. Der Tierpfleger sagt: «Elche fühlen sich in kaltem Klima wohl. Darum sind unsere stark bewaldeten Anlagen ideal.» Und wenn es sehr heiss werde, würden die Elche im Teich abtauchen.

Stefan Eichholzer kennt die imposanten Tiere auch aus dem Freiland. Er hat sie in Kanada und Norwegen beobachtet. Der ehemalige Maschineningenieur hat in Kanada in einer Wildstation mit Elchen gearbeitet. Das packte ihn so sehr, dass er, zurück in der Schweiz, die Tierpflegerlehre absolvierte und sich an der Fachhochschule Wädenswil punkto Säugetiere weiterbildete. Er arbeitet im Tierpark Langenberg in allen Revieren, betreut also von Mäusen bis zu Elchen ganz verschiedenartige Tiere.

[IMG 3]

«Elche sind in Kanada in Wäldern und an Waldrändern zu sehen, ähnlich wie bei uns Rehe», sagt der versierte Tierpfleger. Auch auf einer Insel vor der Küste Norwegens hat er Elche beobachtet. «Sie schwimmen sogar im Meer.» An diesem Tag im Mai wirkt nicht nur die Elchanlage im Wildnispark Zürich Langenberg wie der skandinavische Wald, sondern auch das Wetter ist entsprechend. Der Wind peitscht Regen schier waagrecht durch die Luft. «Bestens für unsere Elche», sagt Stefan Eichholzer und schmunzelt. Tatsächlich liegt der Stier ruhig im Schlick. Seine Kuh trottet zum Zaun, ebenso ein weiteres Weibchen – die Mutter des Stiers. Sie beobachten, wie der Tierpfleger Laubäste von Ahorn und Buche aus einem Wasserbad zieht und sie in eine Nebenanlage schleift. Dort befestigt er sie an einem Gestell.

[IMG 4]

Rinde, Blätter und Pellets

Nun ist auch der Stier aufgestanden. Die drei scheinen zu wissen, was jetzt folgt. Der Tierpfleger schafft durch Gitterverschiebungen einen Durchgang, schon springen die drei ins neu eröffnete Grossgehege, machen sich über die Blätter und Rinde her. Der Stier visiert bald etwas noch Besseres an. Durch das Gewicht des Regens senken sich Äste von Bäumen und Sträuchern in der Anlage. Er zupft die Blätter ab.

«Elche ernähren sich zu einem grossen Teil von Rinde und Blättern. Sie ziehen die Blätter durch das Maul und schälen die Rinde mit ihren scharfen Vorderzähnen.» In der Natur frässen sie auch Flechten. «Wir betreiben einen sehr grossen Aufwand für die drei Tiere.» Täglich würden zwei Tierpfleger während drei Stunden im Wald Äste schneiden. Zum Beweis zeigt Stefan Eichholzer auf eine grosse Beige mit blank genagten Ästen.

[IMG 5]

«Elche sind Konzentratselektierer», streicht der Tierpfleger heraus. Sie würden energiereiche Nahrung benötigen. Frisches Laub sei wesentlich protein- und mineralreicher als Gras. Essenziell sei, dass die Äste frisch und nicht schmutzig gereicht werden. Brombeerblätter würden die zoologisch zu den Hirschen gehörenden Elche jeweils gerne im Winter fressen. Auch Eibe, die gemeinhin als sehr giftig gilt, verzehrten Elche ohne Probleme, ebenso junge Tannenäste.

Pellets erhalten die Elche im Tierpark Langenberg täglich als Leckerbissen. «So bringen wir sie dazu, in den Stall zu kommen, etwa für eine tierärztliche Behandlung.» Elche und Tierpfleger haben im Tierpark Langenberg keinen direkten Kontakt. Der Elch schlage unvermittelt mit seinen Vorderbeinen aus. Besonders während der Brunftzeit seien Stiere aggressiver; Kühe mit Jungen sollten ebenfalls in Ruhe gelassen werden. Elche werden selten gehalten, in der Schweiz nur in den Tierparks Langenberg und Bern. Sie sind nicht gefährdet. «Ihre Zucht wird darum auch nicht gesamteuropäisch koordiniert», sagt Stefan Eichholzer. Der Tierpark Langenberg stünde stetig im Austausch mit privaten Elchhaltungen, Zoos und Tierparks. «So können wir unsere Jungtiere platzieren und kommen zu blutsfremden Tieren.» Elche würden in nordischen Ländern auch zur Fleisch- und Milchgewinnung gehalten.

[IMG 6]

Kräftezehrendes Geweihwachstum

Die Zucht von Elchen im Tierpark Langenberg hat eine lange Tradition. Sie werden seit 1969 gehalten. Vor einigen Jahren kam es sogar zu einer tiergärtnerischen Sensation. Drillinge wurden geboren, was sehr selten ist. «Normalerweise haben wir jedes Jahr Nachwuchs bei den Elchen», sagt Stefan Eichholzer. Seit 2019 gebe es aber eine Pause, da damals das Zuchtmännchen gestorben sei. Unter Menschenobhut werden Elche bis 18 Jahre alt, in der Natur kaum mehr als 15. Das aktuelle Paar ist noch jung. Der Stier wurde 2019 im Tierpark Langenberg geboren, die Zuchtkuh 2021 in Schweden.

Der Stier werde im Herbst brunftig, wenn sein Geweih ausgebildet sei. Ob ein Schaufelgeweih oder Stangen wachsen würden, sei nicht vorauszusehen. «Das Geweih wächst jedes Jahr innerhalb von drei bis vier Monaten neu», erklärt Eichholzer. Im Februar werde es abgeworfen. «Während des Geweihwachstums werden Mineralstoffe aus dem Skelett entzogen und damit das Geweih aufgebaut.» Normalerweise sei die Kuh im September und Oktober empfänglich. Wenn es nicht klappe, werde sie 25 Tage später nochmals bereit zur Aufnahme. «Wir separieren während dieser Zeit das alte Weibchen, um Inzucht zu vermeiden.» Die Tragzeit dauert etwa acht Monate. «Das Kalb folgt seiner Mutter schon kurz nach der Geburt», sagt Stefan Eichholzer. Als Erwachsene streifen Elche meist einzeln durch die Wälder.

[IMG 7]

Mit ihren Lippen und den markanten, langen Nasen rupfen die zwei Kühe Blätter von den Ästen, Regen perlt über ihr Fell. Elche verfügen über einen ausgezeichneten Geruchssinn. «In ihrer langen Nase wird die Luft erwärmt, bevor sie in die Lunge gelangt. Darum sind Minustemperaturen für diese Tiere kein Problem», sagt Stefan Eichholzer, während die Elche im Wald verschwinden. Elche seien im Vormarsch. Im deutschen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern an der Grenze zu Polen beispielsweise seien sie bereits eingewandert. Der Elchkenner hält es aber für unwahrscheinlich, dass sie bis in die Schweiz gelangen würden. Im Tierpark Langenberg aber ziehen sie durch die Wälder.

Tierpark LangenbergDer 1869 gegründete, kostenlos zugängliche Tierpark Langenberg besteht aus zwei durch eine Brücke sowie eine Unterführung miteinander verbundenen Teilen, die durch die Albisstrasse getrennt sind. Der Bereich Ost ist ganzjährig Tag und Nacht zugänglich. Der Bereich West, wo sich auch die Elchgehege befinden, ist bis Ende Oktober von 9 bis 19 Uhr geöffnet. Der Tierpark wird von der Stiftung Wildnispark Zürich getragen, zu der auch der Naturerlebnispark Sihlwald gehört. Das Postauto 240 fährt von der Bahnstation Thalwil aus bis zur Station «Langnau a. A., Schwerzi, Wildpark». wildnispark.ch
[IMG 8]