OffCut
Zweite Chance für Restmaterial
Massnahmen gegen Lebensmittelverschwendung kennen wohl die meisten. Aber was passiert mit Material, das man nicht braucht? Ein Verein bietet in seinen Läden Restmaterialien an und gibt ihnen so die Chance, Teil eines neuen kreativen Projekts zu werden.
Eigentlich braucht man gerade mal einen Meter Schlauch, muss aber eine ganze Rolle kaufen. Beim Hemd ist ein Knopf abgefallen, die passenden Knöpfe gibt es aber nur im Zehnerpack. Und das Kind braucht zum Basteln in der Schule zwei Pfeifenputzer, erhältlich in 100er-Sets. Der Rest landet irgendwo im Keller, in der Krimskrams-Kiste oder in der «Schublade für alles» und verstaubt vor sich hin.
Eigentlich schade, dachte sich auch Claudia Meyr und gründete zusammen mit gleichgesinnten Mitstreiterinnen den Verein Offcut Bern. Zusammen mit den gleichnamigen Materialmärkten in Basel, Zürich, Luzern und St. Gallen sagt die Organisation der Materialverschwendung den Kampf an. «Wir haben einen Materialmarkt für Reste gegründet. Hier findet man allerhand Werkmaterial aus Produktionsüberschüssen, Atelierauflösungen und Privathaushalten», erklärt Meyr. Im Souterrain eines grossen Wohnkomplexes in der Nähe des Bahnhofs Bern hat Meyr ein kleines Bastelparadies mit aufgebaut. Hier finden Kreative alles, was das Herz begehrt. Stoffreste, Garne, Holz, Papier, Bänder und Schachteln liegen fein säuberlich sortiert zwischen Kisten mit Kopierrädchen, alten Dias, Knöpfen und Schnürsenkeln. Die Sachen sind in der Regel für die Hälfte des Neupreises erhältlich.
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Materialschätze im Keller
Wie alle Vereine arbeitet auch Offcut nicht gewinnorientiert. «Die Einnahmen aus dem Resteverkauf reichen gerade, um unsere Fixkosten zu decken und einen bescheidenen Stundenlohn auszuzahlen», berichtet Claudia Meyr. Die meisten Mitarbeiterinnen arbeiten mit viel Engagement, teils auch ehrenamtlich in dem Shop. Dazu gehören auch die Annahme und das Sortieren von Materialspenden. «Mittlerweile bekommen wir auch Sachen von Wohnungsauflösungen. Manch einer ist überrascht, was man in den Kellern der Grosseltern für Schätze findet, und weiss aber selber nichts damit anzufangen», so Meyr. Im Gegensatz zu Brockenstuben und Second-Hand-Läden nimmt Offcut jedoch nur Werkmaterialien an. Möbel, Kleider und Bücher gehören nicht dazu.
Viele Besucher des Offcut-Ladens sind mittlerweile Stammkunden. Künstlerinnen und Lehrer lassen sich zu ihren nächsten Projekten inspirieren. «Am besten, man kommt nicht mit einer fixen Idee zu uns, sondern lässt sich von den Materialien inspirieren», rät Meyr. Denn das Sortiment des Ladens ändert sich ständig, je nachdem, welches Material reinkommt. Für Kinder bietet der Laden Workshopkisten mit Überraschungsmaterial an. Für 10 Franken kann man aus diesen während zwei Stunden im ladeneigenen Atelier basteln, wonach einem der Sinn steht. Nebst Werkbänken mit allerhand Werkzeugen stehen auch Nähmaschinen und Zuschneidetische für eigene Projekte zur Verfügung. Zudem bietet der Verein an seinen Standorten regelmässig Workshops an wie die Erstellung von Stop-Motion-Filmen mit Restmaterial, verschiedene Drucktechniken, Upcycling und das Reparieren kaputter Gegenstände in Eigenregie.
«Nebst des Aspekts der Nachhaltigkeit ist eins unserer Ziele, die Kreativität zu fördern und aus dem Vorhandenen zu schöpfen», erklärt Meyr. Und so entstehen aus den Resten Kunstwerke, Lampen, Decken und einzigartige Geschenke. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Ein weiterer Grund, die verstaubten Reste aus Keller und Schubladen zu befreien und ihnen neues Leben einzuhauchen.
Upcycling
Upcycling ist ein Kombi-Begriff aus «Up» (nach oben) und «cycling» (Zyklus) und bedeutet so viel wie «Aufwertung». Er steht für den Prozess, bei dem ausgedienten Gegenständen neues Leben eingehaucht wird. Wichtig ist dabei, dass man für das so hergestellte Produkt eine Verwendung hat, und dieses nicht wie das Ursprungsmaterial in einer Ecke verstauben würde. So entstehen aus leeren Konservengläsern Teelichthalter, aus einer alten Jeans eine Umhängetasche oder ein Kissenbezug aus einem T-Shirt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Ressourcen werden gespart, es entsteht weniger Abfall und man hält am Ende ein neues, einzigartiges Produkt, ein Unikat, in der Hand.
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