Mobil und klimafreundlich – geht das?
Remote Work: Unsichtbarer Stromfresser
Video-Streaming hat den Ruf, viel Strom zu fressen. Auch Software, Videokonferenzen und Cloudspeicherung sollen einen Einfluss aufs Klima haben. Stimmt das? Und was können wir tun, um mit besserem Gewissen online zu leben?
Ob im Café, im Park, im Urlaub oder von zu Hause aus – wir arbeiten, streamen, surfen und kommunizieren überall. Was viele nicht wissen: Hinter jeder E-Mail, jedem Video und jeder Stunde Homeoffice verbirgt sich ein unsichtbarer CO2-Fussabdruck.
Streaming: Versteckte Emissionen
Streaming-Plattformen wie Youtube, Netflix, Disney+ und Amazon Prime Video haben unser Sehverhalten revolutioniert: Wir können jederzeit und überall neue Filme und unsere Lieblingsserien schauen, oft in stundenlangen Binge-Watching-Sessions. Laut Statistasehen bereits 67 Prozent der Schweizer fern über das Internet. 35 Prozent der TV-Zuschauer nutzen dabei mehr als die Hälfte ihrer Fernsehzeit für Streaming-Dienste und 11 Prozent greifen sogar ausschliesslich auf diese Angebote zurück.
Doch jede Folge, jeder Film, den wir auf unseren Endgeräten streamen, hinterlässt einen unsichtbaren ökologischen Fussabdruck. Denn: Mittlerweile macht Video-Streaming einen erheblichen Teil des weltweiten Datenverkehrs aus und erfordert immense Mengen an Energie, um die dafür nötigen Rechenzentren und Server zu betreiben. Diese Server arbeiten rund um die Uhr und benötigen neben Strom für den Betrieb auch eine erhebliche Kühlleistung, um nicht zu überhitzen. Die Zahlen sprechen für sich: Laut dem Forschungsprojekt des deutschen Öko-Instituts und des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration verursacht eine Stunde Streaming in HD-Qualität im Rechenzentrum Treibhausgasemissionen von etwa 1,46 Gramm CO2 pro Stunde durch die Speicherung der Daten. Dies ist weitaus weniger als bislang angenommen. Allerdings entsteht eine weitaus grössere Menge an CO2-Emissionen bei der Datenübertragung und der Nutzung der Endgeräte. Über eine Glasfaserverbindung fallen beispielsweise etwa zwei Gramm CO2 pro Stunde an, während bei einer 3G-Mobilfunkverbindung bis zu 90 Gramm CO2 pro Stunde ausgestossen werden. Je grösser und vor allem älter das Endgerät, desto höher ist der Energieverbrauch.
Remote Work: Unsichtbare Stromfresser
Seit der Pandemie hat sich zudem unsere Arbeitsweise auch grundlegend verändert: Homeoffice und Remote Work sind für viele zum Alltag geworden. Diese bequeme Arbeitsweise hat ebenfalls seinen ökologischen Preis: Jedes Mal, wenn wir uns in ein virtuelles Meeting einloggen oder grosse Dateien in der Cloud speichern, verbrauchen besagte Rechenzentren Energie – weltweit eine gigantische Menge. Ein Beispiel: 2020 wurde am weltweit grössten Internetknotenpunkt in Frankfurt ein Rekordwert von 9,16 Terabit pro Sekunde erreicht, was der gleichzeitigen Übertragung von mehr als zwei Millionen HD-Videos entspricht. Pro Terabyte gespeicherter Daten können jährlich bis zu 280 Kilogramm CO2-Äquivalente freigesetzt werden – abhängig davon, wie effizient das jeweilige Rechenzentrum arbeitet.
Eine Stunde Videokonferenz schlägt hierbei mit 2,27 Gramm CO2-Äquivalente zu Buche. Hinzu kommen noch etwa 55 Gramm CO2-Emissionen durch den Laptop. Je grösser der Monitor oder das genutzte Gerät, desto höher der CO2-Ausstoss. Trotzdem ist die Videokonferenz klimafreundlicher als die Anreise zu einem persönlichen Meeting – es sei denn, man kommt zu Fuss oder mit dem Fahrrad.
Hardware und Software
Digitale Geräte wie Laptops und Smartphones verbrauchen nicht nur während des Gebrauchs Energie, sondern schon bei der Herstellung werden Unmengen an Ressourcen benötigt. Bei der Produktion eines einzigen Geräts werden seltene Erden wie Lithium und Kobalt benötigt, deren Gewinnung oft mit enormem Energieverbrauch und Umweltschäden verbunden ist. Die Förderung dieser Ressourcen hinterlässt tiefe Spuren in der Natur und geht oft mit schlechten Arbeitsbedingungen in den Förderländern einher.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Lebensdauer eines Smartphones im Durchschnitt nur 2,5 Jahre beträgt, bevor es durch ein neues Modell ersetzt wird. Denn: Ab dem Moment der Markteinführung beginnt der Countdown für die garantierten Software-Updates durch den Hersteller. Während einige Hersteller Updates für mehr als fünf Jahre gewährleisten, erhalten andere Geräte nur für zwei bis drei Jahre neue Aktualisierungen. Erst ab kommendem Jahr soll die Mindestzeit EU-weit fünf Jahre betragen.
Auch die Effizienz der verwendeten Software spielt eine Rolle. Tatsächlich kann ein ineffizientes Softwareprodukt bis zu viermal mehr Energie verbrauchen als ein vergleichbares, effizient programmiertes.
Reduzierung des digitalen Fussabdrucks
Die Digitalisierung bietet jedoch nicht nur Herausforderungen, sondern auch enorme Chancen, unseren CO2-Fussabdruck zu verringern. Eine aktuelle Studie der Standortinitiative Digitalswitzerland zeigt, dass durch den Einsatz digitaler Technologien bis zu 20 Prozent der Emissionen eingespart werden könnten, die für das Schweizer Klimaziel bis 2030 nötig sind. So könnten mit intelligenter Digitalisierung in Bereichen wie Gebäudemanagement, Transport und Industrie jährlich bis zu 3,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.
Durch bewusstes Handeln können wir alle einen Beitrag zu einer klimafreundlicheren Zukunft leisten. Eine Möglichkeit besteht darin, Inhalte auf das Endgerät herunterzuladen, anstatt sie wiederholt zu streamen. Auch das Reduzieren der Streaming-Qualität und die Nutzung von kleineren Bildschirmen können die Emissionen senken. Um den Energieverbrauch und die Umweltbelastung durch Remote Work zu verringern, können Videokonferenzen bewusster geplant und nur dann realisiert werden, wenn sie wirklich notwendig sind. Das Ausschalten ungenutzter Hardware kann ebenfalls einen positiven Beitrag leisten, ebenso wie Smartphone oder andere Geräte länger zu nutzen. Secondhandkäufe und das Recycling alter Geräte helfen ebenfalls, Ressourcen zu schonen. All dies sind kleine Bausteine in einem grossen Bild, in dem gilt: Jeder kleine Beitrag zählt.
5 Tipps, um den digitalen Fussabdruck zu reduzieren:
- Streaming clever nutzen: Laden Sie Videos herunter, statt sie ständig zu streamen. Auch das Reduzieren der Auflösung beim Schauen auf kleineren Geräten oder das Deaktivieren von automatischen Videostarts helfen, den Energieverbrauch zu senken.
- Telefonieren statt Videoanrufe: Wenn keine visuelle Kommunikation nötig ist, telefonieren Sie, statt einen Videoanruf zu starten. Das spart Energie. Auch das Abschalten der Kamera während Video-Calls reduziert den Energieverbrauch.
- Reduktion von Datenmengen: Nutzen Sie E-Mails und Cloud-Dienste bewusst – durch das Löschen alter E-Mails, das Komprimieren von Anhängen und das regelmässige Bereinigen von Cloud-Speichern.
- Energieeffiziente Geräte: Investieren Sie in energieeffiziente Laptops, Smartphones und Router, die weniger Strom verbrauchen.
- Kleinere Bildschirme nutzen: Wenn möglich, sollten Sie kleinere Geräte für alltägliche Aufgaben nutzen, da diese im Vergleich zu grossen Fernsehern deutlich weniger Energie verbrauchen.
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