Schlechter hätte die Skisaison nicht beginnen können. Statt in einem prächtigen weissen Gewand präsentierten sich viele Schweizer Wintersportorte im Dezember in einem deprimierenden matschig-bräunlichen Farbton. Für die Skiindustrie hätte das frühlingshafte Wetter zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt einsetzen können. Sie erwirtschaftet in der Weihnachtszeit den grössten Teil ihrer Umsätze. 

Um ein finanzielles Desaster zu verhindern, kommt immer häufiger die «Allzweckwaffe» Schneekanone (siehe Kasten) zum Einsatz. Rund 48 Prozent der Schweizer Pistenflächen sind mittlerweile technisch beschneibar. In Österreich und Italien sind es sogar knapp 70 Prozent. «Technische Beschneiung bildet eine ganz wichtige Grundlage für ein qualitativ hochstehendes Wintersportangebot. Viele Gäste buchen nur noch dort ihre Skiferien, wo sie Schneesicherheit haben», sagt Andreas Keller, Leiter Kommunikation Seilbahnen Schweiz.

Stark verbesserte Energieeffizienz 
Umwelt- und Naturschützer beobachten diese Entwicklung äusserst skeptisch. So spricht sich etwa Pro Natura gegen die technische Beschneiung aus. «Riesige Speicherseen werden in Landschaften gegraben. Das Verlegen von Wasser- und Stromleitungen erfordert umfangreiche Eingriffe mit schweren Baumaschinen», bemängelt der Medienverantwortliche Roland Schuler. Es gibt 64 Speicherseen in der Schweiz, weitere 18 sind geplant. Sie sollen das Wasser sammeln und für die Kunstschneeproduktion bereitstellen. Denn der Wasserbedarf für die Schneekanonen nimmt rapide zu.

Andreas Keller hält jedoch den kritischen Stimmen zum hohen Wasserverbrauch entgegen, dass das Wasser über die Schneeschmelze in den natürlichen Kreislauf zurückfliesse und der Natur somit nicht entzogen werde. Dies bestätigt auch Thomas Grünewald vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF. «Der Grossteil des Wassers geht nicht verloren, sondern wird im Schnee zwischengespeichert», erklärt der Experte, fügt jedoch an: «Problematisch ist aber, dass Wasser für die Beschneiung genau dann entnommen wird, wenn die natürlichen Abflüsse ohnehin gering sind. Und zurückgeführt wird es, wenn sowieso viel Wasser vorhanden ist.» Wie viel Wasser zurückbleiben muss, ist allerdings gesetzlich geregelt.

Ein weiterer Kritikpunkt von Umweltschützern ist der hohe Energieverbrauch der Schneekanonen. Das lässt Andreas Keller nicht (mehr) gelten. Moderne Beschneiungsanlagen seien sehr energieeffizient. Während in den 1980er-Jahren für die Produktion von einem Kubikmeter Schnee noch rund 7 Kilowattstunden Strom verbraucht wurden, sei es heute nur etwa 1 Kilowattstunde. Zahlen einer Studie des SLF von 2007 bestätigen, dass der Stromverbrauch für die Beschneiung niedriger war als erwartet. In den Skigebieten Parsenn/Gotschna und Jakobshorn zum Beispiel machte er zusammen gerade einmal 0,6 Prozent des gesamten Energiekonsums der Landschaft Davos aus.

Gestörte Pflanzenentwicklung 
Bedenklicher sind die Auswirkungen des Kunstschnees auf die Pflanzenwelt. Zwar verweist Andreas Keller darauf, dass die künstliche Beschneiung den Vorteil habe, die Vegetation an kahlen Stellen zu schützen, die sonst von Skikanten und Pistengeräten verletzt werden würden, aber die Krux liegt woanders. «Das Wasser für den Kunst­schnee aus dem Fluss oder aus dem Speichersee ist gegenüber dem Naturschnee mineralienreicher und beeinflusst dadurch die Vegetation», sagt Roland Schuler von Pro Natura. 

SLF-Studien stützen das. Sie ergaben ausserdem, dass Blütenpflanzen wie Krokus, Wald-Vergissmeinnicht und Löwenzahn durch die deutlich spätere Abschmelzung der Pisten und Loipen infolge des technischen Schnees eine verzögerte Entwicklung von zwei bis drei Wochen haben. Die Verwendung von Schneezusätzen wie Ammoniumnitrat habe zudem eine (zu) starke Düngewirkung, sagt Christian Rixen vom SLF. Schneezusätze würden praktisch aber nicht mehr eingesetzt, da sie dank der neuen Beschneiungstechnologie schlicht nicht mehr nötig seien, erklärt Andreas Keller. «In einigen Kantonen sind Wasserzusätze sogar explizit verboten.»

Trotz aller Vorbehalte gegen den Einsatz von Schneekanonen hält der WSL-Fachmann Thomas Grünewald die technische Beschneiung für eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Viele Skigebiete könnten sonst angesichts des Klimawandels nicht überleben. «Die Beschneiung beeinflusst die Umwelt durchaus, allerdings ist der grösste Einfluss auf die Umwelt schon durch den Pisten- und Anlagenbau und den Betrieb des Skigebiets, also dessen Existenz an sich gegeben», betont Grünewald.

So «ticken» Schneekanonen
In den gesamten Alpen stehen schätzungsweise 20 000 Schneekanonen oder Schneilanzen. Diese Propeller-Schneimaschinen produzieren aus Wasser, Luft und Energie sogenannten technischen Schnee. Der Begriff Kunstschnee wird in Fachkreisen nicht verwendet, weil die «Zutaten» natürlich sind und nur die Herstellung künstlich erfolgt. Die Schneekanonen versprühen das Wasser durch Düsen mit einer grossen Druckluftmenge in feinste Tröpfchen. Ein Teil des Wassers verdunstet und entzieht der Umgebungsluft die Wärme. So unterkühlt der grösste Teil der Tröpfchen und gefriert. Kleine Eiskristalle und gefrorene Wasserkügelchen fallen als Kunstschnee zu Boden. Das Verfahren funktioniert jedoch nur, wenn es nicht wärmer ist als ein Grad Celsius. Bei Temperaturen um den Nullpunkt wird die Schicht aber schnell sulzig; gefriert es nachts, verwandelt sie sich in eine Eisschicht, wobei Hersteller damit werben, dass die neuste Generation Beschneitechnik viel «weicheren» Schnee produziert. Natürliche Schneeflocken hingegen bestehen aus Milliarden feiner Eiskristalle, die sich meist in sechseckiger Form ganz langsam aus dem Wassernebel der Wolken gebildet haben. Sie weisen eine Vielzahl von sogenannten Dendriten (astartige Verzweigungen) auf und umfassen deshalb ein viel grösseres Volumen pro Gewichtseinheit als die kompakten, künstlich hergestellten Eiskügelchen, die eher dem entsprechen, was in der Natur als Graupel oder Griesel bekannt ist.

Doch welche Alternativen zum Skisport bieten sich Bergregionen, die auf Wintertourismus angewiesen sind? Das Berner Oberland versucht mit einer Premiere, Gäste anzulocken: Erstmals in ihrer über 120-jährigen Geschichte fährt die Brienz Rothorn Zahnradbahn im Winter. 

Ein eisiges Vergnügen bietet sich hoch über Kandersteg. Dort kann man auf dem schneefreien Oeschinensee schlittschuhlaufen, weil er auch in milden Wintern im Schatten liegt und dadurch tiefe Temperaturen herrschen. In Interlaken steht Schlittschuhlaufen ebenfalls hoch im Kurs, allerdings nicht auf Natureis. Grosse Eisbahnen mit verschiedenen Eisfeldern und Verbindungspisten sollen Touristen anlocken. Das Diemtigtal rührt ebenfalls fleissig die Werbetrommel für ein Alternativprogramm zum Skifahren: mit Museen, Bauernhofbesuchen, Reiten und Winterwandern.

Noch haben es solche Angebote schwer, sich gegen die Strahlkraft des Schnees, und sei es «nur» Kunstschnee, durchzusetzen. Aber wenn die Winter künftig noch milder werden, muss man sich an den Anblick grün-brauner Hänge gewöhnen. Denn bei Temperaturen über ein Grad helfen nicht einmal mehr Schneekanonen.