Die Begrüssung ist stürmisch. Das eineinhalbjährige Rauhaardackel-Weibchen Diana wedelt wie wild mit dem Schwanz, hüpft freudig an einem hoch und schleppt zum Spielen seine Lieblingsdecke an. «Im Oktober werde ich sie erstmals schnallen, also zum Aufstöbern des Wildes ablassen», sagt die Besitzerin Nadine Buri-Frank. «Ich habe mit ihr schon die Gehorsams- sowie die Begleithundeprüfung erfolgreich absolviert, und dieses Jahr kommen noch die Spurlaut-Prüfung und der Nachweis auf Schwarzwild dazu.» Und damit ist man schon mitten im Thema: die Jagd.

Im Stadthaus von Nadine Buri in Burgdorf dreht sich viel um die Jagd. Die Kissen auf dem Sofa tragen Hirschprofile. An den Wänden hängen Geweihe von Rehböcken und Gämsen – die aber vor allem ihr Vater vor vielen Jahren erlegt hat. Ihr erstes Tier war ein Gämsjährling, den sie im oberen Emmental strecken konnte. Hinzu kamen inzwischen Rehe, Füchse und Wildschweine. Um den Hals trägt Buri zudem einen feinen Marderknochen, der zum Schmuckstück wurde. An den Ohren baumeln filigrane Ohrringe aus Grandeln, den verkümmerten Eckzähnen des Rothirsches, und schliesslich schmückt einen ihrer Finger ein Ring aus Rehhorn.

Vortrag über Tierlaute
Ihre Jagdausbildung und Prüfung hat sie zwar erst vor gut drei Jahren abgeschlossen, aber mit ihrem Vater war sie schon von klein auf mit auf der Pirsch. Ihre Leidenschaft für die Jagd teilt sie mit ihrem Partner Rolf Krähenbühl. Und das Paar gibt sein Wissen auch auf originelle Art und Weise an andere weiter. 2020, während des ersten Corona-Lockdowns, hielt das Duo auf dem Schloss Landshut im bernischen Utzenstorf einen Vortrag unter dem Titel «Tierlaute auf der Jagd». Was für Laute geben Wildtiere von sich, was bedeuten sie und mit welchen Techniken und Hilfsmitteln ahmt der Mensch sie so lebensecht nach? Das war der Inhalt der Veranstaltung, die vom Publikum mit Freude aufgenommen wurde. Im Schloss Landshut ist das Schweizerische Museum für Wild und Jagd untergebracht. Deshalb finden hier sehr häufig Veranstaltungen zum Thema Jagd statt.

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Nadine Buri hat ihre Jagdprüfung im Kanton Bern absolviert – hier gilt die Patentjagd. Bedeutet: Anders als beispielsweise im Kanton Zürich, wo die ausgebildeten Jäger in zugewiesenen Revieren jagen, kann sie als Patentjägerin im Kanton Bern im gesamten Kantonsgebiet ihr Wild erlegen. «Bei uns zum Beispiel ist die Blattjagd während der Brunftzeit des Rehwildes nicht erlaubt, weil das Reh im Sommer nicht jagdbar ist», erklärt sie. In Revierkantonen wie Zürich, im grenznahen Deutschland oder im Elsass, wo man manchmal auch jagen gehe, hingegen sei das erlaubt. Dazu benutzen die Jäger einen sogenannten Rehblatter oder einen zwischen den Daumen eingespannten Grashalm, der den klassischen Fiepton vom weiblichen Reh sehr realistisch nachahmt.

Meistens klassisch unterwegs
«Dass diese Lockrufe wirken, habe ich in Deutschland als Jagdgast schon erlebt», erzählt Buri. «Das war ein Erlebnis. Ich sass an einem späten heissen Sommernachmittag mit meinem damals jungen Hund auf der Kanzel und begann zu blatten. Ein liebestoller Bock trat aus der Hecke und suchte seine vermeintliche Geiss.» Und Buri weiter: «Ich haderte, zögerte, schaute dem Bock fasziniert zu, und er verschwand wieder im Gehölz. Dieses Spiel machte er mehrmals, bis er dann in perfekter Position, Distanz und mit Kugelfang vor mir stand.» Da habe sie ihren inneren Kampf beendet und ihm eine sichere Kugel angetragen.

In ihrem Garten führt die Jägerin noch weitere Lockmittel vor. Mit einer anderen Pfeife, dem Mäusler oder der Hasenklage, lassen sich beispielsweise Füchse anlocken. Mit dem Ranzbeller kann man verschiedene Kontakt- und Kommunikationslaute des Fuchsweibchens und -männchens nachahmen. Auch Krähen und Enten lassen sich mit den Pfeifen, auch Locker genannt, anlocken. Und scheinbar wirken die nachgemachten Tierlaute auch beim Dackelweibchen Diana, die neugierig angesprungen kommt. «Diese Lockmittel sind bei mir aber nur ein kleiner Bestandteil der Jagd. Vielmehr bin ich klassisch unterwegs: Ansitzjagd auf Rotwild, Raubwild und Reh, aber auch die Gruppenjagd, wo die Kameradschaft gepflegt wird und wir zu fünft mit unseren Hunden Beute machen können.» Am liebsten sei sie in der Natur unterwegs, das bedeute für sie Lebensqualität.

Die Leidenschaft für die Jagd widerspiegelt sich bei Buri und ihrem Lebensgefährten auch in der Musik. Die beiden spielen in der Formation «Diana Jagdhornisten Burgdorf». Seit zehn Jahren spielt Nadine Buri hier das Parforcehorn. «Die Verbundenheit zu Jagd und Natur ist ein wichtiger Punkt und prägt unser musikalisches Handeln. Die aktiven Jäger unter uns sind in verschiedenen Jagdvereinen Mitglied», heisst es auf der Website der Formation. «Wir proben jede zweite Woche, geben auch Konzerte und Hubertusmessen.» Kürzlich hätten sie beispielsweise auf dem Schloss in Belp gespielt: während der Eröffnung einer neuen Baumallee.

Zudem spielt Buri auch das Fürst-Pless-Horn, das traditionell während der Jagd zum Einsatz kommt. «Als Jäger ehrt man beispielsweise die erlegten Tiere mit einer kleinen Melodie. Zudem dient dieses Horn auch dazu, Jagdsignale zu übermitteln.» Oft sei es aber so, dass die Jägerinnen und Jäger kein Jagdhorn spielen können. «Wir suchen dringend Nachwuchs.» Nun werden Nadine Buri und ihr Partner bald bei der Horngesellschaft in Bayern ein dreitägiges Horn-Seminar besuchen. «Langfristig wollen wir ein solches auch in der Schweiz anbieten», schaut die Burgdorfer Jägerin in die Zukunft.

Lustige Begegnung im Wald
Darüber hinaus ist die Mutter zweier Kinder auch noch beruflich engagiert. In Burgdorf arbeitet sie derzeit im Lager eines Schuhgrosshandels. Später wird sie als ausgebildete Kauffrau in dieser Firma ins Büro wechseln. Den Job hat sie auf lustigen Umwegen ergattert. Auch hier spielt die Jagd wieder eine Rolle. Mit ihrer Hündin hat sie im Wald oft für die Prüfungen trainiert. Dabei ist sie regelmässig einem Mann mit seiner West-Highland-White-Terrier-Hundedame begegnet. Dieser ist selber begeisterter Dackelfan und hat familiär einen Bezug zur Jagd. Als sie eine für sie interessante Jobanzeige genauer unter die Lupe nahm, entdeckte sie, dass der Firmenchef der Mann vom Waldspaziergang ist.

Kaum von dieser Dackelgeschichte erzählt, schaut Diana wieder vorbei und schnüffelt dicht über dem Boden hinweg durch den Garten. «Sie hat wie alle Jagdhunde einen ausgeprägten Geruchssinn. Ich denke, ich könnte sie auch als Fährtensucherin für die Jagd ausbilden.» Und da ist sie wieder spürbar: die Leidenschaft für die Jagd.