Neulinge am Rande der Schweiz
Das Stachelschwein ist auf dem Vormarsch
Bei den Römern landete es gerne im Kochtopf und wurde daher aus Afrika eingeführt: das Stachelschwein. Seitdem breitet es sich in Italien zunehmend gegen Norden aus und wird laut Wissenschaftlern auch bald die Schweizer Grenze überqueren.
Es ist ruhig um Mitternacht in den Wäldern der Toskana. Bis auf einen Waldkauz, der sich mit seinem Ruf verrät, scheinen alle Tiere zu schlafen. Doch plötzlich raschelt es im Gebüsch. Ein Reh? Oder vielleicht ein Fuchs? Nein, es ist ein Tier, welches man vielleicht eher in den Savannen Afrikas vermutet als in den Pinienwäldern Norditaliens, das sich da schnaubend und grunzend aus dem Unterholz wälzt: ein Stachelschwein.
Tatsächlich sind die bis zu 20 Kilogramm schweren Nagetiere in Italien keine Seltenheit. Stachelschweine (Hystrix cristata) wurden von den Römern aus Afrika nach Italien importiert, wahrscheinlich, um sie nebst dem einheimischen Wild jagen zu können. Seit 1980 sind die Tiere in Europa gesetzlich geschützt, werden aber vielerorts illegal bejagt und als Schädlinge angesehen, da sie sich gerne auf Feldern am Gemüse bedienen und mit ihrem Grabverhalten Dämme an Flussufern unsicher machen.
Ausbreitung nahe der Schweiz
Fühlte sich das Stachelschwein bis 1970 noch lediglich in Zentral- und Süditalien heimisch, so breitete es sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter nach Norden aus. 2019 wurden Tiere bei Trient gesichtet und 2021 Stacheln südlich von Bozen gefunden. Italienische Forschende vermuten, dass sich das Stachelschwein weiter nördlich ausbreiten und bald auch die Grenze zur Schweiz übertreten wird. Grund dafür sind die klimatischen Veränderungen, sowie die Nähe zu landwirtschaftlichen Flächen, die den Tieren ausreichend leicht zu erreichendes Futter bieten. Ausserdem haben Stachelschweine kaum natürliche Feinde zu befürchten, und ihre namensgebenden aus Haaren umgewandelten Stacheln wirken hervorragend gegen leichtsinnige Angreifer.
Die Stachelfunde bei Bozen sind nicht nur die nördlichsten, sondern mit 1800 Metern über Meer auch die am höchsten gelegenen seit Beginn der Forschungen rund um die Stachelschweine in Italien. Sie zeigen, dass sich die Tiere nicht nur im Flachland der Po-Ebene wohlfühlen, sondern durchaus auch in den Voralpen Einzug halten können.
Dass man auf einem Spaziergang einem dieser urtümlichen Tiere begegnet, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Stachelschweine sind nachtaktiv und verbringen den Tag in unterirdischen Bauten, die sie oft mit Dachsen teilen. Sie ernähren sich primär von Wurzeln, Knollen und Früchten, weswegen sich landwirtschaftliche Betriebe und Gartenbesitzer vielleicht schon jetzt darauf vorbereiten sollten, dass sie bald unliebsamen Besuch von einem weiteren Nagetier bekommen könnten, welches durch seine Grösse und dem Stachelkleid wesentlich wehrhafter sein dürfte als Wühlmaus und Co. Vor einem Angriff warnen die sonst friedfertigen Tiere durch Rasseln ihrer Stacheln und Stampfen mit den Pfoten. Spätestens dann sollte man das Weite suchen und die Nager in Ruhe lassen.
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