Was soll es bringen, das Geschlecht zu wechseln? Diese Frage stellt sich schnell und da der Wechsel in der Natur kaum grundlos vorkommen würde, muss es eine Antwort geben – auch wenn man sie vielleicht noch nicht gefunden hat. Tatsächlich gibt es mehrere und sie unterscheiden sich je nach Tiergruppe und -art. Ein gutes Beispiel dafür sind Fische.

Das grösste Weibchen wird zum Männchen

Wie Fachleute vom Zoo Zürich erläutern, erklärt man sich den Geschlechterwechsel bei Fischen meistens mit einem Grössenvorteil. Fahnenbarsche beginnen ihr Leben demnach als Weibchen. Sie paaren sich mit dem dominanten Männchen, das ein Revier dank seiner Grösse gegen kleinere Konkurrenten verteidigen kann. Ein kleiner männlicher Fahnenbarsch hätte dadurch keine Chance auf Fortpflanzung, kleine Fische bleiben somit mit Vorteil weiblich. Stirbt aber der Revierbesitzer, rutscht das grösste Weibchen nach, wird männlich und übernimmt das Territorium samt Frauenschwarm.

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Diese Art der Geschlechtsumwandlung, quasi ein vollständiger Rollenwechsel mitsamt der Anpassung von Körper und Verhalten, sei unter den Fischen am weitesten verbreitet.

Monogame Weibchen sind besser gross

Anders sieht die Lage bei Fischen aus, die als Paar leben wie etwa dem Clownfisch. Bei dieser Art pflanzen sich jeweils die beiden grössten Tiere fort, das zweitgrösste ist dabei das Männchen. Das macht Sinn, da weibliche Fische mit grossem Umfang mehr Eier produzieren können, die Anzahl Spermien aber unabhängig von den Massen des Männchens ungleich grösser ist.

Die Clownfische einer Gruppe, die auf der Rangliste der Körpergrösse Platz drei oder tiefer belegen, sind männlich und paaren sich nicht.

Stirbt das Weibchen, übernimmt dessen bisheriger Partner die weibliche Rolle und das grösste Männchen unter den verbleibenden Fischen kommt bei der Fortpflanzung zum Zug. «In einer biologischen Version der Geschichte von «Findet Nemo» würde sich Papa Marlin nach dem Tod seiner Frau Coral also einfach in ein Weibchen verwandeln», so die Schlussfolgerung.

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Grundeln können frei wählen

Einen Spezialfall unter den Fischen bilden gemäss dem Zoo Zürich Korallengrundeln. Da diese Art sehr sesshaft lebt und die Partnersuche risikoreich ist, profitieren die Tiere von einer freien Geschlechterwahl: Treffen sich zwei Grundeln, können sie so in jedem Fall ein heterosexuelles Paar bilden und sich fortpflanzen.

Auch Schnecken können beides

Ähnlich und doch anders funktioniert es bei landlebenden Lungenschnecken. Diese sind Zwitter, also gleichzeitig männlich und weiblich. Bei der Paarung können sie entweder jeweils eine Rolle übernehmen, oder aber sie befruchten sich gegenseitig. Der männliche Part ist in jedem Fall mit weniger Aufwand verbunden, da das Männchen keine Eier produzieren muss.

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Bei Reptilien entscheidet die Temperatur

Ein ganz anderes System zur Geschlechterbestimmung gibt es bei Reptilien wie Schildkröten oder Krokodilen.  Bei diesen Tieren entscheidet die Bruttemperatur, wobei je nach Art Wärme männliche oder weibliche Nachkommen schlüpfen lässt, die danach ihr Geschlecht ein Leben lang beibehalten. Normalerweise sorgt dieser Mechanismus für ausgeglichene Verhältnisse, der Klimawandel wird aber teilweise zum Problem. Durch die anhaltend höheren Temperaturen in den Brutgebieten bestehen manche Schildkrötenpopulationen praktisch nur noch aus Weibchen und können so auf Dauer nicht fortbestehen.

Der Sonderfall Krallenaffen

Bei Säugetieren ist der Fall in der Regel klar und das biologische Geschlecht in den Genen festgelegt. Eine Ausnahme bilden Krallenaffen. Bei ihnen seien Mehrlingsgeburten normal und Zwillinge können während ihrer gemeinsamen Zeit im Mutterleib Stammzellen austauschen. Beim Zoo Basel schildert man die Geschichte des Lisztäffchens Gitana: Obwohl sie äusserlich ein Weibchen war, markierte sie ihr Revier und verhielt sich gegenüber männlichen Artgenossen dominant. Untersuchungen zeigten, dass Gitana genetisch männlich war, also die Chromosomen X und Y trug. Vor der Geburt übernahm das Äffchen aber Stammzellen von seiner Zwillingsschwester, aus denen funktionierende weibliche Geschlechtsorgane wurden. So wurde Gitana mehrfache Mutter – wobei genetisch eigentlich ihre Schwester die Mutter ist.

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Dieser Austausch von Stammzellen sei unter Säugetieren einzigartig und macht die betroffenen Krallenaffen zu Chimären. Darunter versteht man genetische Mischwesen, die also Zellen mit unterschiedlicher DNA im Körper haben.

Wo die Sache noch einfacher ist

Bei den gängigsten Haustieren wie Hunden, Katzen oder Pferden jedenfalls steht bekanntlich bereits vor der Geburt fest, ob man ein weibliches oder männliches Tier aufnimmt. Auch Goldfische wechseln übrigens ihr Geschlecht nicht.