Dass sich Veränderungen im Wald abzeichnen, ist offensichtlich und zeigt sich beispielsweise bei Wanderungen im Jura. Dort ragen immer mehr Rottannen als abgestorbene Skelette in den Himmel. Hitze und langanhaltende Trockenheit führten zum Absterben der Tannen, besonders in tieferen Lagen des Juras. Dichte Tannenwälder gibt es noch im höher gelegenen Gebiet des Lac de Joux. Doch nicht nur im Jura zeigt sich dieses Phänomen, sondern allgemein in den Voralpen.

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Wald als Kohlenstoffspeicher

Der Wald ist in vielen Teilen wichtig für die Erde. Dr. Esther R. Frei von der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) betonte an einem Vortrag an der Botanischen Gesellschaft Bern im Botanischen Garten Bern: «Der Wald ist wichtig für das Erdklima. Er ist ein natürlicher Kohlenstoffspeicher, wird für die Freizeit und zur Holzgewinnung genutzt, ist essenziell für die Biodiversität und dient als Schutz vor Naturgefahren.»

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Hinterhalt lauert im Wald

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass der Wald nicht immer positiv gesehen wurde. Im Mittelalter galt er als Grenze zum bebauten Land, wurde als bedrohlich empfunden, denn dort lauerten Gefahren und Hinterhalt. Er wurde aber auch schon damals für Baumaterial, zur Gewinnung von Energie, zur Schweinemast und zur Gewinnung von Lebens- und Heilmitteln genutzt.

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Vom Menschen geprägter Schweizer Wald

«Der Anstieg der Bevölkerung führte zum Raubbau am Wald, so dass bereits 1876 ein erstes eidgenössisches Forstgesetzt erarbeitet wurde», erklärte die Geografin und Biologin Esther Frei. Dort sei geregelt worden, dass Rodungen durch Aufforstungen kompensiert werden müssen. «Der Schweizer Wald ist also ein anthropogen geprägtes Ökosystem», sagt Esther Frei. Das heisst, dass in der Schweiz die meisten Waldgebiete aus Sekundärvegetation bestehen. Sie wurden durch den Menschen aufgeforstet.

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Trockenheit führt zum Absterben

Esther Frei stellte fest, dass es seit 1864 immer wieder sehr trockene Jahre gab, dass es aber in den letzten 30 Jahren überdurchschnittlich warm wurde. Sie konstatiert: «Durchschnittlich beträgt der Temperaturanstieg in den letzten 30 Jahren um die 2 °C.» Die Trockenheit führe zum direkten Absterben ganzer Bäume, oder aber, sie würden eher vom Borkenkäfer befallen oder vom Wind umgeblasen. Der Klimawandel mache den Wald anfälliger für Schädlinge und es bestehe eine vermehrte Waldbrandgefahr, besonders südlich der Alpen und im Wallis. Interessant sei, dass durch ein integrales Feuermanagement Waldbrände im Süden generell zurückgegangen seien. «Die Bevölkerung im Tessin ist dafür sensibilisiert», sagt Esther Frei. Das heisst, dass kaum mehr Feuer durch Private im Freien entfacht würden, wenn Waldbrandgefahr herrsche.

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Waldföhren und Buchen sterben

1998 musste im Wallis ein starkes Absterben von Waldföhren registriert werden, 2018 und 2019 starben sie in der Nordwestschweiz und am Walensee vermehrt ab, 2022 und 2023 in den Kantonen Wallis, Waadt und Tessin. 2018 musste bei Buchen im Kanton Schaffhausen eine starke und verfrühte Laubverfärbung festgestellt werden. «Fachleute waren darüber erstaunt, da die Buche als hitzeresistent gilt», sagt Esther Frei.

 

Im Sommer 2018 führte das WSL eine Untersuchung an Buchen durch und stellte fest, dass solche Bäume mit frühzeitig verfärbter Krone vermehrt absterben im Gegensatz zu solchen, deren Kronen sich nicht frühzeitig verfärben.

Südliche Arten wandern ein

Esther Frei prognostizierte, dass im Jahr 2080 im gesamten Jurabogen keine Tannen mehr wachen würden. Das hat auch Folgen für die Tierwelt. So wird der Auerhahn beispielsweise kein Auskommen mehr finden, wenn die Tannen verschwunden sein werden. Er ernährt sich besonders im Winter von den Nadeln. Was kann gegen die Problematik des frühen Absterbens von Bäumen gemacht werden? Es sei grundsätzlich ein natürliches Gesetz, dass ganz langsam südliche Arten in unsere Zonen einwandern würden. «Das zeigt die nacheiszeitliche Besiedlung mit Wäldern. Sie dauerte aber Jahrhunderte», sagte Esther Frei. Durch die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung geht es nun viel schneller. Die Referentin erwähnte das Beispiel von Leuk im Wallis, wo ursprüngliche Flächen mit Waldföhren und Fichten neu von Flaumeichen besiedelt werden – eine Verschiebung der Arten.

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Grosse Veränderungen

Die Frage ist, ob der Mensch bei der Besiedlung mit neuen, südlichen Arten nachhelfen soll, damit der Wald erhalten bleibt und seine wichtigen Leistungen weiterhin erbringen kann. Eine Massnahme, die helfen könnte, den Wald robuster zu machen sei, die Baumvielfalt zu erhöhen und ihn strukturreicher zu machen, sagte Esther Frei. Mitarbeitende der WSL forschen auf Versuchsflächen an verschiedensten Standorten mit Testpflanzen. Pro Fläche werden 4 bis 18 Baumarten angesetzt, ihr Gedeihen wird überprüft. Esther Frei resümiert, dass eine natürliche Anpassung möglich sei, dass sie aber nur sehr langsam geschehe und forstamtliche Massnahmen sie beeinflussen könnten. Sie schloss: «Sicher ist, dem Wald stehen grosse Veränderungen bevor.»