Herr Kummer, was sieht man auf Infrarotbildern, was man auf normalen Fotos nicht sieht?

Bei den bekannten, schon fast «klassischen» digitalen Infrarotbildern sieht man weisse Bäume, dunkel-blauen Himmel und extrem kontrastreiche Wolken. Das sind typische Merkmale, die primär damit zu tun haben, dass verschiedene Dinge in unserer Umwelt Infrarotstrahlung unterschiedlich reflektieren und absorbieren.

Können Sie in einfachen Worten beschreiben, was da technisch passiert?

Licht ist elektromagnetische Strahlung. Die Farbe, die wir sehen, entspricht unterschiedlichen Wellenlängen, die in Nanometer gemessen werden. 450 nm entspricht Blau, 650 nm Rot. Der Mensch sieht bis zirka 700 nm. Alles, was darüber ist, wird als Nah-infrarot bezeichnet und ist für uns unsichtbare Strahlung. Infrarotkameras «sehen» bis zirka 1000 Nanometer. Sie können also mehr aufzeichnen, als wir von blossem Auge sehen können. Andere Arten sehen die Welt anders.

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Haben Sie ein Beispiel?

Bestimmte Tiere können Infrarotlicht sehen und nehmen ihre Umgebung entsprechend anders wahr. Schlangen etwa können Ferninfrarot und damit Wärmestrahlung wahrnehmen. Das hilft ihnen bei der Jagd im Dunkeln. Lachse können Nahinfrarot sehen, was ihnen beim Schwimmen in trüben Gewässern hilft. Das alles hat mit der Evolution zu tun.

Kann ich mit meiner gewöhnlichen Spiegelreflexkamera auch Infrarotaufnahmen machen?

Das kommt aufs Modell an. Bei älteren Kameras reicht es meist aus, wenn man einen speziellen Filter vor die Linse schraubt. Dieser sperrt das sichtbare Licht aus und lässt nur Strahlung ab 720 nm zu. Dabei ist jedoch die Belichtungszeit sehr lang, weil jede Kamera einen internen Sperrfilter eingebaut hat, der das Infrarot blockiert. Er dient dazu, dass die Bilder nur das zeigen, was wir auch sehen können. Viele Kameras kann man aber mit wenigen Handgriffen umbauen und von diesem Sperrfilter befreien. Dann hat man eine Kamera, die das volle Spektrum von Ultraviolett bis hin zu Nahinfrarot registriert.

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Zur Person
Der Berner Oberländer Christoph Kummer ist hauptberuflich Redakteur an einer Hochschule und freier Journalist. Die Infrarotfotografie als Hobby und Leidenschaft entdeckte er vor rund zehn Jahren, als er auf Bilder des irischen Fotografen Richard Mosse stiess, der den Bürgerkrieg im Kongo mit einem alten Infrarot-Falschfarbenfilm dokumentierte. «Das löste etwas in mir aus», sagt er heute. Er bestellte seine erste umgebaute Kamera, eine Nikon D70, und war von Beginn weg begeistert von der «Surrealität der Aufnahmen». Kummer bloggt zum Thema auf seiner Website: hiddenrealms.ch

Verändert sich die Farbe Grün am stärksten? Einige Bilder zeigen ganz weisse Bäume, andere blutrote Tannen. Woher kommt das?

Nicht die Farbe Grün spielt eine Rolle, sondern die organischen Eigenschaften. Bei Pflanzen ist der Effekt am grössten, was mit der Photosynthese zu tun hat. Und die verschiedenen Farbpaletten kommen durch unterschiedliche Filter zustande.

Sie machen vor allem Landschaftsaufnahmen. Ist die Infrarotfotografie dafür besonders geeignet?

Ja, Landschaft oder auch Architektur eignen sich vielleicht am besten, aber das kann man nicht generell sagen. Menschen wirken eher blass, die Haut samtig und irgendwie künstlich. Das kann aber auch gefallen. Bei Tieren kommt es auf Fell und Gefieder an.

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Was ist für Sie der besondere Reiz an Infrarotfotos?

Mit Infrarotlicht kann man in eine fürs menschliche Auge unsichtbare Welt blicken. Man kann wirklich noch Entdeckungen machen und Neues kreieren, das fasziniert mich. Ich bin jemand, der das Besondere, Neue, Unentdeckte und Obskure sucht. Ausserdem bin ich gerne draussen in den Bergen und verbinde die Fotografie gerne mit Wandern.

Sie schreiben auf Ihrer Website, Sie wollen mit Ihren Bildern die Fantasie der Betrachter anregen. Inwiefern tun Sie das?

Vielleicht erkennen sie, dass wir die Welt durch eine bestimmte Linse – unser Auge – betrachten und diese Linse nicht unbedingt die Realität widerspiegelt. Bei meinen Bildern geht es mir aber primär um die Landschaft und darum, überwältigende Szenerien wie Bergklippen, Gewitterwolken oder Wasserfälle noch überwältigender zu machen. Idealerweise sollen meine Fotos Emotionen wecken oder zu eigenen Kunstprojekten inspirieren.

 

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