Plötzlich brummt es laut, als wäre ein alter Ventilator angesprungen. «Pürschtel, du bleibst hier!», ruft Roland Grossenbacher und greift nach einem Riesenkäfer, der unsanft auf dem Zimmerboden gelandet ist. «Ich habe vergessen, das Terrarium zu schliessen», setzt der Käferfreund nach. Wieder in seiner Unterkunft, krabbelt der Ausreisser sofort zu seinem Futtertöpfchen mit einer gallertartigen rosa Masse.

Der bunte Ausflügler hat den komplizierten Namen Mecynorhina torquataugandensis. «Ein grosser Käfer aus der Unterfamilie der Rosenkäfer», fügt Roland Grossenbacher an. «Es sind robuste Gesellen.» Dieser Käfer stamme beispielsweise aus Uganda. Roland Grossenbacher ist Käferspezialist und -züchter. So wie andere Vögel, Katzen oder Meerschweinchen züchten, hat sich der 55-Jährige den Krabbeltieren verschrieben.

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Der Käferfreund schwärmt: «Ich freue mich an den herrlichen Farben, Käfer geben optisch etwas her.» Tatsächlich schillern sie oder sehen aus, als wären sie von einem Maler mit Farbpalette bemalt worden. Oft weisen sie auch bizarre Körperformen auf. Hörner, Zangen und Haken sind die Staffage vieler der sechsbeinigen Krabbelgesellen. «Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Käfern.» Schliesslich seien Käfer mit über 380 000 beschriebenen Arten in 179 Familien die weltweit grösste Ordnung aus der Klasse der Insekten.

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Noch immer würden jedes Jahr neue Arten wissenschaftlich beschrieben, sagt Roland Grossenbacher. Er hält und züchtet stets zwischen 8 und 20 Arten. Doch die wenigsten krabbeln als Käfer herum. «Ich habe meist Hunderte von Larven», merkt Grossenbacher an und greift nach einem grossen Konfitüreglas. «Hier», sagt der Züchter. Er zeigt auf eine grosse, fette, weisse Larve, die zuunterst in der Erde zu schlummern scheint. «Sie frisst sich durch die Erde», kommentiert er. «Ich interessierte mich schon als Kind für Tiere, die Freude an Käfern war immer da», erzählt der Käferexperte in seinem Käferzimmer. Der ehemalige Fahrzeugschlosser wohnt zusammen mit seiner Frau in einer Eigentumswohnung in Dübendorf (ZH). Als einer der beiden Söhne auszog, expandierte der Vater mit seiner Käferzucht und annektierte den Raum.

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Ein Arbeitsplatz, dahinter Tableaus mit schillernden tropischen Schmetterlingen und einem präparierten Goliathkäfer. Auf der linken Seite stehen Terrarien in Gestellen, Plastikkistchen voller Substrat sowie eine Sammlung an grossen Konfitüregläsern. Alle haben oben ein Loch und sind mit Erdsubstrat gefüllt. Rechts wiederum Terrarien mit Vogelspinnen und Geckos. «Käfer sind eine andere Welt, aber nicht so weit von der Terraristik entfernt», sagt der Vivarianer. Alles begann bei Roland Grossenbacher an der Insektenbörse in Kloten.

«In unzähligen Gläsern an der Wand fressen sich dicke, weisse Larven durch das Substrat.»

Roland Grossenbacher, Käferliebhaber und -züchter

«Einer verkaufte riesige Käfer», erinnert er sich. Er habe keinen Plan gehabt, habe sie aber erworben. «Die beiden Kinder hatten eine Riesenfreude, meine Frau Denise nur bedingt», erinnert sich der Tierfreund. Die neu erworbenen Tiere gehörten zu den Hirschkäfern. «Damals gab es einen Hirschkäferverein, dem ich beitrat.» Roland Grossenbacher tauchte in die Welt der Käferkenner und -züchter ein. So sei er zu Arten gekommen, doch er merkte bald, dass es in der Schweiz keine Plattform für Käferfreunde gab. Das ist auch heute noch so. «Wir sind um die zehn aktive Käferzüchter in der Schweiz und tauschen uns aus.

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Ruppige Kollegen

Dass Käfer nicht so populär sind, zeigt sich auch darin, dass es für die meisten Arten kaum deutsch-sprachige Namen gibt. Roland Grossenbacher operiert darum mit den komplizierten wissenschaftlichen Bezeichnungen. Fein säuberlich ist jedes Glas, jedes Terrarium, jede Plastikwanne mit der Bezeichnung von Gattung und Art angeschrieben. Fachliteratur zur Haltung und Zucht gibt es nur wenig. Grossenbacher erwähnt besonders zwei Bücher des Schweizer Käferfreundes Benjamin Harink.

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Wichtig ist der fachliche Austausch unter Gleichgesinnten. Wer Käfer züchtet, leistet Pionierarbeit. Roland Grossenbacher studiert seine Käfer genau, notiert seine Erkenntnisse und publiziert sie auf seiner Website. «Mir ist wichtig, Informationen weiterzugeben, sodass anderen die Haltung und Vermehrung gut gelingt», sagt der Käferfanatiker. Er habe sich auf tropische Käferarten spezialisiert, weil viele der einheimischen geschützt seien. Bei tropischen Arten hingegen sind nur wenige im internationalen Abkommen über den Handel mit geschützten Tier- und Pflanzenarten CITES aufgeführt. «Wir Käferzüchter in der Schweiz tauschen nur gezüchtete Käfer», betont Roland Grossenbacher, der auch Kontakte zu Liebhabern in anderen europäischen Ländern unterhält. Er wird vom Flughaften Kloten regelmässig beigezogen, wenn sich Fragen zu Käfern im Gepäck von Reisenden oder blinden Passagieren ergeben.

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Roland Grossenbachers Käferterrarien sind mit Substrat, einem Erdgemisch, mit Korkstücken, die den Krabblern Rückzug ermöglichen, und mit Kletterästen bestückt. «Die Rückwand sollte aus Kork bestehen und nicht aus Kokosfasermatten, denn die Käfer bleiben beim Klettern mit ihren Haken daran hängen», rät der Züchter. Die Terrarien werden mit Fluoreszenzröhren und LED-Strahler mit Warmlichtton beleuchtet. Das Terrarium sollte alle zwei Tage mit Wasser besprüht werden, damit das Substrat feucht bleibt.

Käfer haltenViele einheimische Käferarten sind geschützt. Zahlreiche tropische Käferarten können aber problemlos gehalten werden. Käfer sind interessante Tiere, gut geeignet für Kinder, die erste Schritte in der Tierhaltung gehen wollen, denn Käfer sind robust, leben nicht lange und stellen keine grossen Ansprüche an die Terrariumseinrichtung. Wenn sie nur gehalten und nicht zur Fortpflanzung gebracht werden, leben sie länger. Der Käferzüchter Roland Grossenbacher fragt sich: «Kann es sein, dass, wenn ihre Aufgabe nicht erfüllt ist, sie länger leben müssen?»

«Käfer fressen Bananen, Melonen, Äpfel und Salatgurkenstücke», sagt Roland Grossenbacher. Die Früchte sollten vorher warm abgewaschen werden. Die Käfer machen sich aber auch liebend gern über Töpfchen mit der farbigen Masse her. «Das sind Beetle-Jellys», erklärt der Halter. Er würde sie direkt aus Belgien beziehen, hergestellt seien sie in Taiwan. Sie bestünden aus Geliermittel, Zucker, Vitaminen, Proteinen und Fruchtsaft. In Asien sei die Käferhaltung und -zucht weit verbreitet. «In Japan gibt es Zoohandlungen, die sich nur auf Käfer spezialisiert haben», sagt Roland Grossenbacher. Das Käferverhalten gibt es nicht. Vorlieben Verhaltensweisen und Brutzyklus differieren bei dieser grossen Artenvielfalt. «Es ist wichtig, sich genauer mit der Art auseinanderzusetzen, die man hält», rät der Experte. So lassen sich nicht bei jeder Art Männchen zusammenhalten. Manche kämpfen miteinander. «Dieser hier», der Käferzüchter kehrt ein Korkstück um und nimmt vorsichtig einen darunter krabbelnden, grossen, bräunlich-schwarz schimmernden Nashornkäfer auf seinen Zeigefinger, «wird in gewissen Gebieten Thailands als Kampfkäfer eingesetzt.» Derjenige, dessen Käfer den anderen des Konkurrenten vom Ast herunterwirft, erhalte Geld. «Nicht mehr zum Kampf eingesetzte Käfer werden von Mönchen in Klöstern gehalten, damit sie stressfrei den Lebensabend verbringen können.»

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Käfer sind nicht anfällig, können aber durchaus von Milben befallen werden. «Ich wasche sie dann unter einem handwarmen Wasserstrahl ab. Es sind robuste, ruppige Kollegen», sagt der Käferzüchter. Mit zunehmendem Alter hätten darum viele Käfer auch nicht mehr alle Gliedmassen. «Da sie Futter verteidigen oder an ungewöhnlichen Orten durchkrabbeln, verlieren sie halt schon mal eines ihrer sechs Beine.»

Roland Grossenbacher präpariert schöne Exemplare. «Ich opfere aber kein Käferleben, nur damit ich einen schönen Käfer in meiner Sammlung habe.» Auf das Prachtstück über seinem Pult, den Goliathkäfer, ist er stolz. «Das ist schon die Oberklasse der Käferzucht», meint er schmunzelnd. Die Larve habe er in einem Torf-Sand-Gemisch gehalten, am Schluss dann nur in Sand. Alle zwei Tage habe er Katzenfutter als Nahrung gereicht. «Das ging während 18 Monaten so.» Ansonsten aber sei die Käferzucht ideal für Berufs-tätige. «Ich verbringe über das Wochenende gut und gerne mal fünf bis sechs Stunden in meinem Käferzimmer, doch unter der Woche kommen sie meist problemlos ohne mich oder nur mit kurzen Einsätzen aus.»

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Herausforderung Substrat

Wer einen Käfer erwirbt, wird nicht so lange Freude an ihm haben. Die Lebensdauer im Endstadium der meisten Arten liegt bei einigen Wochen bis Monaten. Darum sorgt Roland Grossenbacher für Nachwuchs. Das ist komplex und beginnt mit dem richtigen Substrat. «Manche exotische Arten sind mit einem Waldlaubhumus zufrieden.» Dabei handelt es sich um das Material, das unter einer Buche oder Eiche liegt. Anspruchsvollere Arten benötigen Flake Soil oder weissfaules Holz, das auch als Kinshi bezeichnet wird.

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Wenn Roland Grossenbacher Flake-Soil-Substrat künstlich herstellt, besorgt er Weizenkleie aus der Pferdefutterabteilung und Pellets von Buchen- oder Eichenholz. Die Pellets finde er bei Schreinereien, die Dübel herstellen. Denn: «Ganz wichtig ist, dass keine Pellets mit Nadelhölzern verwendet werden.» Die Käfer und deren Larven vertragen kein Harz. Weiter braucht es für das Käfersubstrat Kompost. Als Ersatz kann Biokomposterde verwendet werden. Das Ganze wird mit Regen- oder Osmosewasser vermischt. Osmosewasser kann durch entsprechende Anlagen aus dem Zoohandel hergestellt werden. Es enthält keine Mineralien mehr.

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Die AbfallverwerterDank der Käfer versinkt die Welt nicht in einem stinkenden Berg von organischem Müll. Käfer fressen tote Pflanzen und Tiere und graben Bestandteile davon ins Erdreich ein. Die Larven fressen im Boden Substrat. Mit ihrem Kot gelangen Nährstoffe ins Erdreich. Auch dank Käfern ist der Boden fruchtbar.

Besonders anspruchsvoll bezüglich des Substrats sind Hirschkäferarten. «Sie mögen weissfaules Holz», sagt Roland Grossenbacher. Dabei handelt es sich um verrottendes Holz, das bereits von einem weissen Pilz befallen ist. Auch dieses Substrat hat er schon selbst hergestellt. Es wird im Fachjargon als Kinshi bezeichnet. Die Basis seien Buchenspäne, die mit heissem Osmosewasser übergossen würden. Wichtig sei steriles Arbeiten. Darauf würden Pilzsporen angesiedelt. Die Substrate werden in die hohen Konfitürengläser gefüllt. Die Larve darin frisst sich durch und legt an Grösse und Gewicht zu. Zum Prozess gehört, dass das Glas regelmässig mit frischem Substrat gefüllt oder gewechselt wird.

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Im Käferzimmer Roland Grossenbachers leben auch Geckos in Terrarien. «Wenn ich zu viele Larven habe, verfüttere ich sie», sagt er. Käferlarven werden nämlich auch als Futtertiere gezüchtet. Kein Zoo käme ohne sie aus, und wer insektenfressende Vögel züchtet oder Reptilien und Amphibien hält, ist auf Lebendnahrung für seine Tiere angewiesen. Mehl- und Buffalowürmer gehören zum Standard der Futtertierzucht. Doch nicht nur das! Mehlwürmer sind in der Schweiz seit 2017 auch als Lebensmittel zugelassen, in der EU gelten neu auch Buffalos als Nahrungsmittel. Was zu Beginn als Trend gehandelt wurde, scheint sich hierzulande nicht durchzusetzen. Der Konsumentenschutz Schweiz teilt mit, dass Produkte mit Insektenbestandteil nur noch vereinzelt zu finden seien. Beim Mehlwurm handelt es sich um die Larve des Mehlkäfers, beim Buffalo um diejenige des Getreideschimmelkäfers.

Käfer werden auch als Nützlinge gehandelt. Zum Beispiel Marienkäfer. «Marienkäfer sehen nicht nur hübsch aus, sie gehören auch zu den natürlichen Fressfeinden von Blattläusen», teilt die Firma Andermatt Biogarten aus Grossdietwil (LU) mit. Die Glücksbringer verspeisen bis zu 100 Blattläuse pro Tag und werden als Nützlinge verkauft. Sie sind besonders für Treibhauskulturen geeignet.

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Auch der Asiatische Marienkäfer ist ein Blattlausvertilger und wurde ursprünglich zur Bekämpfung von Blattläusen eingeführt. Die Art weist 19 Punkte und eine W-förmige Markierung auf dem Halsschild auf. Sie frisst viel mehr Läuse als der einheimische Marienkäfer. Sind sie allerdings verzehrt, geht der Fremdling auf Obst, Gemüse und Getreide über. Ebenfalls Probleme macht der Kartoffelkäfer, der ursprünglich aus Colorado, USA, stammt. Einen gewissen Bekanntheitsgrad hat der Borkenkäfer erlangt. Vor 40 Jahren wurde er bekämpft, doch gehört er eigentlich zum Ökosystem Wald. Bei günstigen Bedingungen kann sich die Art massenhaft vermehren. Dieser etwa fünf Millimeter grosse, dunkelbraune Käfer lebt auf Fichten. Borkenkäfer zersetzen organisches Material, können aber bei massenhaftem Auftreten Schaden an Nutzholz verursachen.

Roland Grossenbachers Käfer pflanzen sich nicht so einfach fort. «Ich scheitere immer wieder im Ziel, von einer Art dauernd Käfer zu haben.» Es ist anspruchsvoll, den Zyklus stetig am Laufen zu halten. Doch die Zukunft im Dübendorfer Käferzimmer sieht verheissungsvoll aus. In unzähligen Gläsern an der Wand fressen sich dicke, weisse Larven durch das Substrat, werden dicker und dicker, sodass die Spannung des Züchters steigt. Bis ein erstaunlicher Käfer schlüpft, der durch das Wunderzimmer brummt oder im Terrarium leuchtet.

So bedroht wie Nashörner

Während Käferfans hauptsächlich exotische Arten halten und vermehren, hat der Tierpark Bern seit 2021 ein Projekt für einheimische Käferarten lanciert. Käfer in einem Zoo? Der stellvertretende Direktor und Projektleiter Jürg Hadorn sagt: «Tierpflege hört nicht dort auf, wo Haare oder Federn fehlen. Für mich sind Käfer gleichartig wie andere Tiere. Tiere müssen keinen Pelz und keine Kulleräuglein haben, damit ich motiviert bin, mich mit ihnen zu beschäftigen.»

Nashörner sind bedroht. Darum unterhalten Zoos Zuchtprojekte für die Grosssäuger. Doch Käfer? In der Schweiz sind, gemäss der Roten Liste, um die 60 Prozent der Insektenarten bedroht. Die Situation in Bern widerspiegelt diese Entwicklung. Vor knapp hundert Jahren krabbelten Nashorn- und Hirschkäfer noch in den Wäldern der Bundesstadt. Heute sind sie verschwunden. Totholz ist für ihr Überleben wichtig. Eigentlich ist heute davon ausreichend vorhanden. Aber: «Ohne Hilfe kommen die Käfer nicht wieder zurück», mahnt Jürg Hadorn. Es seien schlechte Flieger. Darum könnten sie sich nur über kurze Distanzen von zwei Kilometern ausbreiten. Der Tierpark Bern will diese Lücke schliessen, indem er Rosen-, Hirsch- und Nashornkäfer züchtet und wieder in die Natur integriert.

Von der Larve zum Käfer – die MetamorphoseSo schön Käfer sind, die meiste Zeit verbringen sie als Ei und später insbesondere als Larve. Die meisten Käfermännchen leben nur wenige Wochen, die Weibchen etwas länger. Das Ziel ist die Paarung, dann vergraben sich die Weibchen, um in der Tiefe Eier zu legen. Darum werden sie in einem Plastikbehälter mit einer 30 bis 50 Zentimeter hohen Schicht Substrat gehalten. Es dauert bei vielen Arten gut 14 Tage, bis die Larven aus den vergrabenen Eiern schlüpfen. Sie durchlaufen verschiedene Stadien, etliche drei, manche aber auch mehr. Bis sich eine Larve verpuppt, kann es von Monaten bis zu acht Jahren dauern, je nach Art. Die Larve frisst und wird grösser. Wenn der Moment stimmt, verpuppt sie sich, das heisst, sie baut unter der Erde einen Kokon. Im Endstadium verändert die Larve ihre Haut. Optische Strukturen des Käfers sind bereits zu sehen, ein Kenner kann das Geschlecht bei manchen Arten schon in diesem Stadium bestimmen. Meist schlüpfen Käfer in der Nacht tief im Erdreich. Manche warten bis in den Frühling, bis sie hervorkriechen. Dann haben sie nur eines im Sinn: sich wieder zu paaren. Die Geschlechter buddeln sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus dem Erdreich. Wenn Männchen keine Weibchen finden, fliegen sie.

Jürg Hadorn gibt zu: «Das ist nicht immer publikumswirksam.» Die attraktiven Käfer verbringen die meiste Zeit ihres Lebens als Larven im Totholz. Er weist auf ein Paradox hin: «Die Rosenkäfer finden die Leute schön, aber von den Larven will niemand etwas wissen. Findet man sie im Garten, werden sie den Hühnern verfüttert.» Dabei seien die Larven gar nicht schädlich. «Sie fressen Erde, sind stetig im Boden zu Hause.» Marmorierte Rosenkäfer werden im Tierpark Bern erfolgreich seit dem Frühling 2022 vermehrt, dank Larven, die aus einem Stamm gerettet werden konnten, der später geschreddert wurde. «Rosenkäfer fliegen gut», sagt der Käferexperte des Tierparks Bern. Darum werden sie als Käfer ausgewildert.

Als Züchter habe er aber die Larve lieber als den Käfer. «So eine satte 80 Gramm schwere Goliatus-Larve finde ich wahnsinnig energetisch. Da steckt eine grosse Vitalität drin», schwärmt der Insektenfreund. Er sei fasziniert von 25 Nashornkäferlarven, die in 25 Liter Substrat Humus produzieren. «Die Energie der Larven ist fühlbar.» Dass Zoos hier in grösserem Stil Insekten zur Arterhaltung züchten, ist neu. In tschechischen Zoos aber gibt es ganze Häuser, die für Insekten reserviert sind. «Der Zoo hat nicht nur einenpädagogischen Auftrag, sondern er ist auch dazu da, Arterhaltung zu betreiben», stellt Hadorn klar.

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Das Berner Käferprojekt ist ein Gemeinschaftsanliegen. Stadtgrün, das Naturhistorische Museum der Burgergemeinde und der Tierpark arbeiten daran. Drei Zielarten sollen auf Berner Gemeindeboden wieder angesiedelt werden. Der südexponierte Hang des Dählhölzliwaldes, wo Buchen und Eichen dominieren, entlang der Aare, eigne sich beispielsweise gut für den Hirschkäfer, sagt Jürg Hadorn. Stadtgrün Bern habe Totholz mit dem Austernseitling geimpft. Dabei handelt es sich um einen Pilz, der das Holz rasch durchwächst. «Er schliesst die Zellulose auf, sonst können sie dieKäferlarven nicht aufspalten», erklärt Jürg Hadorn.

Nashornkäferlarven im Berner Wald

Weil der Tierpark Bern Pionier in der Schweizer Käferzucht ist, mussten Ausgangstiere mit Bewilligung der Natur entnommen werden. Jürg Hadorn erzählt: «In Berschis am Walensee führte uns ein Förster an einen bestimmten Platz. Nach zehn Minuten Suchen fanden wir ein Männchen am Boden. Innerhalb von einer Dreiviertelstunde konnten wir 50 Hirschkäfer sammeln.» Der Moment müsse stimmen. Im sankt-gallischenBerschis klappte es auf Anhieb. Leider aber waren es bis auf eine Ausnahme alles Männchen. Später konnte der Förster noch Larven entnehmen, die im Tierpark Bern aufgezogen wurden. «Wir wollen so viele Tiere, wie wir holten, auch wieder nach Berschis zurückbringen», stellt Hadorn klar.

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Mit den Käfern aus dem Kanton St. Gallen konnte im Tierpark Bern die Zucht erprobt werden. Im Dählhölzliwald sollen aber dereinst Tiere aus dem Kanton Bern ausgewildert werden. «Wir wollen künftig mit einer Käferpopulation aus der Region des Bielersees arbeiten.» Während die Hirschkäferzucht noch in der Probephase steckt, hat es mit den seltenen Nashornkäfern bereits geklappt. Sie konnten an einem Standort in Baselgesammelt werden. «Im Juli haben wir erste Nashornkäferlarven auf dem Dählhölzligelände ausgewildert», sagt Jürg Hadorn. Mit dieser Art sei die Zucht sehr gut gelungen. «Die Darmflora der Larve ist auf das Substrat abgestimmt, in welchem sie aufgewachsen ist. Die Tierpfleger haben darum aus Laubholz gezimmerte Harassen eingegraben und mit Substrat aus der Zucht gefüllt. «Die Harasse schützt die Larven zudem auch», erklärt Jürg Hadorn. Die Larven verpuppen sich gegen Ende Sommer. «Die Verpuppungszeit des Nashornkäfers ist kurz. Die frisch geschlüpften Käfer sitzen dann aber im Untergrund und warten, bis sich im neuen Jahr für sie ideale klimatische Bedingungen einstellen.» Bald gibt es also wieder ausgewilderte Nashörner im Dählhölzliwald.

Käfer erwerbenAm 20. Oktober und 15. Dezember 2024 findet die Terraexpo, Chlirietstrasse, 8154 Oberglatt bei Zürich, statt. Dort werden Käfer von privaten Züchtern wie Roland Grossenbacher angeboten.
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