Afrika fasziniert, beflügelt die Fantasie, lässt träumen und vielleicht auch ein wenig erschauern. Vor allem in Gedanken an das Fremde und die Wildheit der Natur. Nirgendwo sonst gibt es so viele Grosstiere wie auf dem Kontinent Afrika. Die meisten Tiere kommen im Lebensraum Savanne vor. Erste Meldungen, wie es im Innern Afrikas aussieht, trafen in Europa von Forschungsreisenden ein wie etwa von Heinrich Barth (1821–1865). Der Forscher reiste von Tripolis in Libyen durch die Sahara und stiess in die südlich davon liegenden Savannen vor. Schliesslich gelangte der Hamburger bis an den Tschadsee und in die legendäre Stadt Timbuktu. Schöne Gemälde von exotischen Szenerien mit Palmen, Gazellen, Giraffen, Rundhütten und grossen Flüssen illustrierten seine Reiseberichte und beflügelten auch die Fantasie der Europäer. Bernard und Vivienne von Wattenwyl, Vater und Tochter, sorgten als Grosswildjäger in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dafür, dass auch das Naturhistorische Museum in Bern Bälge zahlreicher afrikanischer Grosstiere erhielt. Auch heute noch zeigen Dioramen im Berner Museum die von ihnen erlegten Tiere.

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Erst durch den weltbekannten Film «Serengeti darf nicht sterben» im Jahr 1959 von Bernhard und Michael Grzimek wurde die ostafrikanische Savanne mit ihrem Tierreichtum breiten Bevölkerungsschichten bekannt. Der Frankfurter Zoodirektor und sein Sohn deklarierten die riesigen ziehenden Tierherden als Weltnaturerbe und stellten das Ereignis auf gleiche Ebene wie Kathedralen und antike Bauwerke in Europa. Dank der Filmpopularität setzte Tourismus ein, sodass die Savannen Afrikas nicht mehr nur Forschungsreisenden, Kolonialbeamten und Grosswildjägern vorbehalten waren.

Mit den Zugvögeln nach Afrika

Die Savannen sind aber viel mehr als nur Touristenziele. Sie bargen komplexe historische Zivilisationen, sind Lebensraum für zahlreiche Menschen und eine enorme Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Jetzt, wenn es hier wieder kühler wird und sich die Blätter verfärben, sind Rauch- und Mehlschwalben bereits abgezogen und auf dem Weg nach Afrika, wo sie bald wieder über Elefanten-, Büffel- und Giraffenherden fliegen werden. Für viele Zugvögel, die in der Schweiz brüten, ist die Savanne Afrikas Überwinterungsgebiet. Seit jeher unternehmen sie die grosse Reise und wechseln ihren Lebensraum. Zog das Rauchschwalbenpaar eben noch im Stall eines Schweizer Bauernhauses Junge auf, während der Bauer abends die Kühe molk, flitzen sie im Winter etwa über das Ngorongoro-Schutzgebiet in Tansania im Osten Afrikas. Dieses Gebiet grenzt an die Serengeti. Mit den 14 763 Quadratkilometern – einem Drittel der Fläche der Schweiz – gehört der Serengeti-Nationalpark weltweit zu den grössten Nationalparks.

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Unter Akazienbäumen zetert eine Gruppe von Helmperlhühnern. Ob sie Gefahr wittern? Vielleicht liegt ein Gepard versteckt im gelblichen Gras, das zahlreiche Lebewesen verbirgt. Der amselgrosse Dreifarbenglanzstar, der vom Sandpapierstrauch ins Akaziengebüsch flattert, fällt durch seine schillernden Farben auf. Doch Käfer, Termiten, Hörnchen, Echsen, Schlangen und Steppengrasmäuse bleiben im Grasmeer verborgen. Nur die Siedleragame präsentiert sich rötlich-blau auf einem exponierten kahlen Stein. Die Rauchschwalben fliegen in grossen Kreisen über die Baumkronen, ziehen weiter und schiessen dann auch über das angrenzende grüne Grasland, wo sie Insekten fangen. Dort dominiert eine ganz besondere Geräuschkulisse. Gutturale Rufe, ähnlich einem Muhen von Kühen, die von der Weide zurück in den Stall möchten, bilden eine unheimliche Geräuschkulisse. Das Grasland ist topfeben und nur von einzelnen halbhohen Akazien und Büschen oder abgestorbenen dunklen Holzstämmen durchsetzt. Die Rufe stammen von Tausenden von Gnus. «Sie werden nächstens alle gleichzeitig ihre Jungen werfen», sagt Hussein Iddi. Er führt seit vielen Jahren Touristen durch das nördliche Tansania. Umsäumt werden die Gnus von Steppenzebras. «Sie fressen nährstoffärmere Gräser als die Gnus», erklärt der Tansanier aus Arusha, der Stadt im Hochland. Zudem sei für beide der Feinddruck geringer, wenn sie zusammen durch die Savanne zögen. Jetzt im Februar sind die Flächen grün, die Weidetiere ziehen der Nahrung nach, ihre dunklen Rücken erheben sich am Horizont wie Wellen im Meer. Dazwischen stakst ein Sekretär, ein recht eigentümlicher Vogel mit Federschopf am Hinterkopf, krummem Schnabel und stechenden Augen. Und er scheint sich seiner Wirkung bewusst zu sein. Vor Schlangen etwa schreckt er nicht zurück und greift sie mit seinen Klauen. Am Himmel zieht ein Gaukler seine Runden. «Typisch zu erkennen am fehlenden Schwanz im Flugbild», doziert Iddi über den schwarzen Raubvogel mit den roten Füssen. Er braucht kein Fernglas, um ihn zu identifizieren.

In der Nacht sinkt die Temperatur unter 20 Grad Celsius. Die Serengeti liegt auf einem Hochplateau auf über 1000 Metern über dem Meeresspiegel. Doch die Geräuschkulisse ebbt nicht ab. Durch die Zeltwand hallt nun zusätzlich aus der Ferne ein unheimlicher rollender Ruf. Anderntags fragt Hussein Iddi im ersten, kurzen Dämmerlicht am Äquator: «Could you hear the roaring of the lion?» Ja, das Brüllen eines Löwen in der Nacht schien nicht abzureissen. Ein Löwe mit seiner tragenden Stimme ist über acht Kilometer weit zu hören. Jetzt wird auch deutlich, worauf der naturkundige Tansanier am Vortag hinwies: Unzählige Gnukälber auf wackeligen Beinchen umtänzeln ihre Mütter. Sattes Grün liefert den Muttertieren Nahrung, die somit qualitativ hochwertige Milch produzieren.

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Die Savanne ist geprägt von Regen- und Trockenzeiten. Entweder haben sich die Tiere an die Trockenheit angepasst oder sie wandern wie die Gnus und Zebras der Serengeti. Überhaupt ist Anpassung in der Savanne wesentlich. Sie wird von so vielen Tierarten bevölkert, doch diese haben alle verschieden ausgeprägte Vorlieben und kommen sich bei der Nahrungsaufnahme nicht in die Quere. Während das Spitzmaulnashorn Blätter vom Gebüsch zupft, weidet das Breitmaulnashorn Gras. Und während die Giraffe Blätter von stacheligen Akazienkronen nascht, knabbern die zierlichen Dickdicks von Gebüsch ganz am Boden.

Flamingos an Salzseen

Die Savanne lässt sich gut überblicken, beispielsweise von den Kopies aus. Das sind diese Ansammlungen von Granitfelsen, die in der Landschaft aussehen wie von Riesen hingeworfene Murmeln. Die Asche der Vulkane und erstarrte Magma erodierten bereits vor Millionen von Jahren durch den Wind, sodass nur noch Steine übrig blieben. Dennoch, das ostafrikanische Gebiet ist weiterhin in Bewegung, tief im Erdinnern befindet sich eine riesige Blase aus Magma. Der Kilimanjaro im Grenzgebiet Tansanias und Kenias ist ein schlafender Vulkan und der höchste Berg Afrikas. Er ist Teil einer ganzen Reihe von erloschenen Vulkanen entlang des ostafrikanischen Grabenbruchs oder Rift Valley, einer fruchtbaren Savannenregion Ostafrikas, von Äthiopien bis Kenia, wo Tee-, Rosen- und auch Beerenplantagen betrieben werden.

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Tiere der Savanne steigen bis in grosse Höhen, so beispielsweise auch in die Aberdares, die sich bis fast 4000 Meter über dem Meer erheben und in sich Ebenen bilden. Busch- und Wasserböcke schlüpfen aus Hecken, ein einsamer Elefantenbulle zieht durch das von Morgentau durchtränkte Gras, während ein Hartlaubturako kehlig aus einer Baumkrone keckert, sodass es sich wie Lachen anhört. Als er abfliegt, leuchten seine Schwingen scharlachrot. Da ist der Goldschwingen-Nektarvogel viel unauffälliger, wie er mit seinem gebogenen Schnabel schwirrend und schillernd Blüten an einem feuchten Abhang umflattert. Guerezas lassen ihre langhaarigen schwarz-weissen Felle in den ersten wärmenden Strahlen trocknen. Und die auf den Ästen sitzenden Affen blicken dabei ins weite, sanfte Hügelland und schauen Olivtauben zu, die sich auf Zweigen versammelt haben.

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Spektakulär sind die Flamingos an den Salzseen Ostafrikas. Tausende der rosa Vögel seihen mit ihren lamellenartigen Schnäbeln Algen, Bakterien und aquatische Kleinstlebewesen aus den teilweise salzhaltigen Seen, die von Kaffernbüffeln umstreift werden. Zum ostafrikanischen Graben gehören auch der Tanganjika- und Malawisee mit den farbenfrohen Buntbarschen.

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Die Savanne Afrikas ist auch anthropologisch sehr interessant. An verschiedenen Stellen finden sich Hinweise auf menschenänliche Lebewesen. Es scheint, dass sich der Mensch in der offenen Savanne den aufrechten Gang aneignete und begann, Werkzeuge zu gebrauchen. Die Savanne Afrikas ist auch Wiege der Menschheit.

Schmökerecke
Reise in die Savanne per Buch
Afrika ist riesig. Wo genau hinreisen, um die Savanne zu entdecken? Das neue Buch von Katharina Vlcek «Afrika! Menschen, Tiere und Natur der Savannen» bietet eine vielfältige und umfassende Tour in diese faszinierenden Lebensräume. Die freischaffende Autorin und Illustratorin reiste nach Afrika und hielt vor Ort das Leben mit Stift und Papier fest. Ihr beeindruckendes Buch ermöglicht eine umfassende Reise bequem im Sofa.
Katharina Vlcek: «Afrika! Menschen, Tiere und Natur der Savanne»
96 Seiten, Haupt-Verlag