Totenkopfäffchen, Giraffen, Bisons, Schneeleoparden und viele mehr – bei insgesamt zwanzig Tierarten gab es heuer Nachwuchs im Zoo Basel. Solche Ereignisse sind nicht nur für die Besucherinnen und Besucher ein Highlight, sondern für das ganze Zolli-Team. «Es ist immer etwas Schönes», sagt Tierarzt Christian Wenker. «Da die meisten Zoogeburten nachts stattfinden, sind wir oft nicht dabei. Wenn trotzdem alle gesund sind, freuen wir uns immer sehr.» Nach der Geburt untersucht das Tierärzteteam den Nachwuchs auf allfällige Herz- oder Lungenkrankheiten oder andere Gebrechen und registriert das Geschlecht. Doch nicht bei allen Tierarten ist ein solcher erster Check möglich. Affenmütter tragen ihre Jungtiere ständig eng bei sich, und auch Bisonweibchen lassen ihren Nachwuchs kaum aus den Augen. Um zu diesem zu gelangen, müsste die Mutter betäubt werden, was für eine kurze Routineuntersuchung völlig unverhältnismässig wäre. Zu Narkosemitteln wird im Zoo Basel nur gegriffen, wenn ein offensichtlicher Handlungsbedarf vorliegt, also ein Tier Anzeichen einer Erkrankung zeigt.

«Früher haben wir unsere Hände noch mit Tierkot eingerieben»

Glücklicherweise liegt es bei einigen Tierarten in der Natur, dass die Mütter ihren Nachwuchs zwischendurch mal allein lassen, beispielsweise um Nahrung zu beschaffen. Solche Momente, in denen die Eltern mit sich selbst beschäftigt sind, bieten auch im Zoo den idealen Zeitpunkt, die Jungtiere für eine Untersuchung von ihnen zu trennen. «Hier muss es schnell gehen, damit der Stress für die Tiere möglichst gering bleibt», erklärt Seraina Meister.

Menschengeruch stellt kein Problem dar

Bereits nach wenigen Minuten kommt der Nachwuchs wieder zur Mutter, die sich sofort wieder um ihn kümmert. «Früher haben wir unsere Hände noch mit Tierkot eingerieben, damit die Jungtiere nicht unseren Geruch annahmen», erzählt Christian Wenker. Doch auch seit das nicht mehr gemacht wird, habe der Zolli nie Probleme gehabt mit Müttern, die ihre Jungtiere nach einem Untersuch nicht mehr akzeptierten. «Das Gegenteil ist der Fall. Die Bindung zwischen Mutter und Jungtier wird nach der vermeintlichen Gefahr noch enger.» Dies sei ein grosser Vorteil, wie Wenker erklärt. «Wenn es um die Zucht geht, wird oft vergessen, dass die Mutter das Wichtigste ist», sagt er. Wenn das Muttertier an den Folgen einer Geburt stirbt, bleibt oft nur noch, den Nachwuchs zu töten. «Das sind schlimme Momente für uns», gibt Wenker zu. «In Ausnahmefällen findet man noch eine Amme, doch auch das funktioniert nur sehr selten.» Früher habe man solche Waisentiere manchmal von Hand aufgezogen. Doch weil diese im späteren Leben durch Fehlprägung Verhaltensauffälligkeiten gezeigt hätten, sei man von dieser Praxis weggekommen, so Wenker. Deshalb achtet das Tierärzteteam auch bei der Untersuchung darauf, die Jungtiere nicht zu sehr zu verhätscheln. «Wenn ich junge Schneeleoparden untersuche, finde ich sie schon sehr süss», gibt Seraina Meister zu. «Doch wir schätzelen sie nicht wie eine Hauskatze, sondern führen die Untersuchung der Jungtiere so speditiv wie möglich durch.»

Aufwendige Checks bei jungen Grosskatzen

Würfe von Grosskatzen sind meist die aufwendigsten für das Tierärzteteam. Die Basler Schneeleopardenjungen, die im Sommer zur Welt kamen, wurden drei routinemässigen Gesundheits-Checks unterzogen. Auf dem Programm standen dabei auch präventives Entwurmen und Impfen. Dies lohnt sich, weil die Jungtiere in der Wildnis eine hohe Sterblichkeit aufweisen und man sie gut für eine Untersuchung von der Mutter trennen kann. «In den ersten zwei bis drei Monaten wehren sie sich nicht stark», erzählt Seraina Meister. «In dieser Zeit haben sie noch eine Bisshemmung und fauchen höchstens, wenn etwas unangenehm ist.» Allerdings seien nicht alle Grosskatzen gleichermassen pflegeleicht. «Löwen beginnen für gewöhnlich schon mit sechs Wochen, sich zu wehren», erzählt Christian Wenker. «Doch auch der letzte Gepardenwurf war sehr wild. So etwas habe ich noch nie erlebt!» Seraina Meister pflichtet ihm bei: «Da musste sich die Halteperson mit dicken Lederhandschuhen schützen. Bei den Schneeleoparden konnten wir mit Latexhandschuhen arbeiten.»

Freundschaftsbesuche bei Menschenaffen

Um den Alltag mit erwachsenen Tieren zu erleichtern, setzen die Zolli-Tierärzte auf ein sogenanntes Medical Training. Dabei lernen die Tiere spielerisch den Untersuch von verschiedenen Körperregionen. Bei wünschenswertem Verhalten werden sie mit Leckerli belohnt. So einfach lassen sich jedoch nicht alle Tiere überlisten. «Die meisten wissen genau, wann Tierärzte im Anmarsch sind, und wir sind nicht wirklich beliebt», sagt Christian Wenker. Bei den Affen sei das mal so ausgeartet, dass die Tierärzte mit Fäkalien beworfen wurden, was eine vernünftige Untersuchung schier unmöglich machte. «Deshalb setzen wir seit Jahren auf sogenannte Freundschaftsbesuche», erklärt Wenker. «Einmal in der Woche geht jemand von uns mit den Tierpflegenden mit, damit sie uns auch von einer anderen Seite kennenlernen.» Und es funktioniert. «Mittlerweile freuen sich zwei ältere Schimpansen sogar, wenn ich vorbeikomme», so Wenker. Ob sie merken, dass die Tierärzte es gut mit ihnen meinen, sei dahingestellt. Immerhin hat Wenker mal erlebt, wie ihm ein Schimpanse einen verwundeten Fuss durch die Glasscheibe zeigte.

Wenn die Tiere seltene Gebrechen vorweisen, greift das Tierärzteteam vom Zoo Basel auf ein Netzwerk von Spezialisten zurück. «Man kann uns als Allgemeinmediziner sehen», sagt Wenker. «Bei Menschenaffen ziehen wir für gewöhnlich Spezialisten aus der Humanmedizin hinzu.» Als ein Junges der Schneeleoparden unter einer chronischen Augenentzündung litt, holte sich das Zolli-Team Hilfe bei einer auf Augenerkrankungen spezialisierten Tierärztin. Und es lohnte sich. Das Auge musste operiert werden und das Jungtier erholte sich. So gediehen immerhin zwei der drei Schneeleoparden aus dem letzten Wurf. «Das dritte starb an einer Sepsis», erzählt Wenker. «Es war schon geschwächt durch eine seltene Fehlbildung der Hüften, dessen Ursache wir noch nicht klären konnten.» Glücklicherweise kommen solche Todesfälle nur selten vor. «Beim vorherigen Wurf war alles in bester Ordnung, doch dieser bereitete uns etwas Kummer.»

Immerhin konnten sich die Tierärzte dieses Jahr an einem rundum gesunden Gepardenwurf erfreuen. Die jungen Wilden kamen nur etwas früher als gewohnt aus ihrer Geburtshöhle raus. «Da können wir nichts machen», erklärt Christian Wenker. «Wenn wir hier eingreifen, wäre die Mutter nur verwirrt und würde die Jungtiere an einen unerwünschten Ort zügeln.» Diese würde die Wurfbox im Stall danach nicht mehr als sicheren Ort betrachten.

Die Grenzen der Mutterliebe

Solche Rückzugsorte seien das A und O bei Grosskatzen, erklärt Kurator Adrian Baumeyer. «Auch wenn die meisten in der Wildnis Einzelgänger sind, kommen sie in Gefangenschaft mit Artgenossen gut klar. Zumindest, solange genügend Futter da ist», fügt er schmunzelnd an. Doch nach anderthalb bis zwei Jahren, wenn die Jungtiere langsam erwachsen werden, jagt die Mutter diese trotzdem davon. So schafft sie Platz für den nächsten Wurf.