Ziervogellexikon
Reisfink: unter Menschenobhut allbekannt, in der Natur eine Rarität
Reisfinken, Reisamadinen oder Reisnonnen sind markante Prachtfinken. Ihr Äusseres macht sie unverwechselbar. Unter Menschenobhut werden sie seit Jahrhunderten gehalten und gezüchtet, in der Natur werden sie immer seltener. Auch am Beispiel dieser Art zeigt sich, wie wichtig gesunde Bestände unter Menschenobhut sind.
Steckbrief
Wissenschaftliche Bezeichnung: Padda oryzivora
Unterarten: keine
Herkunft: Indonesien, Java und Bali, an verschiedenen anderen Orten eingeführt
Grösse: 14 cm
Wildfarbe: weisse Wangen, schwarze Kopfplatte, grauer Vorderbauch, Unterbauch rötlichbraun, rosaroter Schnabel und Füsse
Mutationen: leuzistische Kulturform seit Jahrhunderten bekannt. Schecke, pastell, silber
Geschlechtsunterschiede: Weibchen sind gleich gefärbt wie Männchen, manchmal aber etwas weniger kontrastreich, der Schnabel ist etwas kleiner und die Lidringe sind blasser bis weisslich. Durch den Gesang können Männchen sicher von den nicht singenden Weibchen unterschieden werden.
Ringgrösse: 3,5 mm
Lebenserwartung: bis 10 Jahre
Platzansprüche: Käfig für ein Paar von ca. 1,50 x 50 x 1 Meter, besser ist eine Zimmervoliere von ca. 2 x 1 x Zimmerhöhe
Ausstattung: zahlreiche natürliche Äste, Flugraum
Stimme: melodiöser Gesang durch das Männchen
Haltung: zu zweit
Herkunft und Geschichte
Reisfinken oder Reisamadinen wurden lange bevor sie in Europa bekannt wurden, schon gehalten und zwar in China und Japan. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen erste vereinzelt Exemplare nach Europa und wurden beschrieben. Erst ab 1860 wurden sie aber häufiger eingeführt. Dr. Carl Stölker in St. Gallen züchtete die Art 1869 erstmals in Europa. Stölker war Arzt und verstarb mit 39 Jahren. Er vermachte seine Vogelsammlung dem Naturmuseum St. Gallen. Nebst der Ornithologie im Freiland, betätigte er sich auch als Halter und Züchter zahlreicher Vogelarten, die er in Volieren hielt.
In der Natur leben Reisfinken im lichten Wald, der von grossen Grasflächen unterbrochen wird. Gerne lässt sich die Art im Kulturland und in Dörfern nieder. Es handelt sich um einen Schwarmvogel, der auch kolonieweise brütet. Sein Hang, über Reisfelder herzufallen, führt zur Dezimierung in den Herkunftsgebieten. Die Vögel sterben wegen Pestiziden, die in der Landwirtschaft verwendet werden und werden für den lokalen Handel gefangen. Früher wurden sie von den Bauern als Plage angesehen, da sie in grossen Schwärmen über Reis- und Getreidefelder herfielen. Deswegen wurden sie bekämpft. Das alles hat dazu geführt, dass ein einst häufiger Vogel in seinem Verbreitungsgebiet selten geworden ist.
Eignung als Heimtier
Reisfinken eignen sich hervorragend als Pfleglinge unter Menschenobhut. Es sind attraktive, grosse Finken, die sich friedlich verhalten. In einer grossen, gut strukturierten Voliere können sie auch mit anderen Arten vergesellschaftet werden. Sie machen unter sich auf unblutige Weise eine Rangordnung aus. Reisfinken vertragen niedere Temperaturen, müssen aber immer ein frostfreies Schutzhaus zur Verfügung haben. Sie können sehr gut in einer Zimmervoliere oder paarweise in einem Flugkäfig von etwa 1,50 Meter Länge gehalten werden.
Erwerb
Reisfinken werden regelmässig an Vogelbörsen angeboten. Sie können auch direkt über Züchter erworben werden. In den Verbänden Exotis und Ziervögel Schweiz sind Züchterinnen und Züchter dieser Art organisiert.
Ernährung und Pflege
Reisfinken können mit ihren grossen Schnäbeln auch grosskörnige Samensorten verzehren, so wie sie etwa Agaporniden oder kleinen Sittichen gereicht werden. Grundsätzlich bevorzugen sie geschälten Hafer, Weizen, Gerste, Paddy- und Naturreis, Hirsesorten, Kolbenhirse und Hafer. Eine Samenmischung für Prachtfinken kann ergänzend gereicht werden. Zeitweise sollten ihnen die Körner auch angeboten werden. Gräser mit Samenständen aus der Natur sind Leckerbissen, ebenso Vogelmiere. Rüebli, in kleine Stücke geschnitten, Apfel, Weintrauben und Gurke nehmen sie ebenfalls sehr gerne. Sporadisch können gefrostete Pinkymaden und Buffalos gereicht werden, während der Jungenaufzucht täglich.
Reisfinken sind grosse Wasserliebhaber. Sie baden gerne mehrmals täglich. Darum sollte ihnen Wasser in flachen Schalen immer zur Verfügung stehen. Es muss mindestens einmal täglich gewechselt werden, idealerweise mehrmals täglich. Wenn es möglich ist, ist der Einbau eines kleinen Teiches mit Aquarienfilterpumpe, die für bewegtes Wasser sorgt, ideal. Das sprudelnde Wasser stimuliert die Sinne der Reisfinken zusätzlich.
Zucht
Reisfinken bauen ihre Nester in Höhlen, so dass ihnen Wellensittich-Nistkästen gereicht werden können. Sie sollten in Schwarmhaltung in einem Abstand von etwa einem Meter aufgehängt werden. Dazwischen sollte Gebüsch angebracht werden. Meist werden vier bis sechs Eier gelegt, die von beiden Altvögeln bebrütet werden. Die Jungen schlüpfen nach einer Brutzeit von 13 bis 14 Tagen. Ab dem Alter von 22 Tagen fliegen die Jungen aus, kehren aber immer wieder in das Nest zurück. Zuerst sind sie stets wieder viele Stunden während des Tages drinnen, später nur noch für die Nacht, bis sie von den Eltern nicht mehr geduldet werden, da sie bereits die nächste Brut in Angriff nehmen. Zwei bis drei Wochen nach dem Ausfliegen sind die Jungen selbständig. Wenn die Jungen zwei bis drei Monate alt sind, mausern sie erstmals. Nach etwa sechs Monaten ist die Mauser abgeschlossen.
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Lustig
Wenn Reisfinken balzen, rücken beide Partner auf einem Ast eng zueinander. Sie beugen die Körper vornüber und halten den Schnabel nach unten. Das Männchen wippt dann in die Höhe. Oft lässt es dabei den Zweig kurz los, so dass es auf und ab hüpft. Das Männchen singt während des ganzen amüsanten Balzspiels. Auch das Weibchen wippt und versucht zu hüpfen, meist wippt es aber lediglich. Am Ende fordert es zur Kopulation auf, indem es mit dem Schwanz zittert und flirrt.
Namensgebung
In der Gattung Padda, die vom sächsischen Zoologen Hinrich Gottlieb Ludwig Reichenbach 1850 begründet wurde, werden lediglich der Reisfink und der Timor-Reisfink geführt. Die Artbezeichnung wurde 1758 von Carl von Linné eingeführt. Die Artbezeichnung oryzivora ist Latein und bedeutet so viel wie «Reisfresser», was auf die kulinarische Vorliebe der Reisfinken hinweist.
Besonderheit
Meist führen Reisfinken monogame Beziehungen, sind also ihrem Partner zeitlebens zugetan. Einst kam diese Art in Riesenschwämen vor, heute ist sie bedroht. Diese fatale Entwicklung zeigt, dass nicht nur seltene Arten schützenswert sind, sondern eben alle. Gerade Arten, die weit verbreitet sind, können plötzlich selten werden, weil sich niemand um sie kümmert. Glücklicherweise ist aber der Reisfink in der Vogelhaltung etabliert, so dass in den Volieren gute Bestände vorhanden sind.
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