Die erste Abschätzung des sogenannten «Albedo-Effekts» von Stauseen zeigt, dass durch die geringere Sonnenlicht-Reflexion der Wasserfläche im Vergleich zum Umland die positive Wirkung von Wasserkraft auf das Klima verzögert wird, wie Forscher im Fachjournal «Nature Energy» berichten.

Als «Albedo» wird jener Anteil an Sonnenstrahlung bezeichnet, der von einer Oberfläche reflektiert wird. Dass die Albedo von Seen deutlich niedriger ist, als jene der meisten anderen terrestrischen Ökosysteme, war bereits bekannt.

Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck hat nun gemeinsam mit Südtiroler Kollegen anhand von weltweit 724 Stauseen deren Albedo-Effekt mit den Emissionseinsparungen gegengerechnet. Sie zeigten dabei, dass ein teilweise beträchtlicher Teil der Effekte der CO2-Einsparungen durch Wasserkraft durch die höhere Albedo der Speicherseen zunichtegemacht wird.

Kühlungseffekt tritt (zu) spät ein
Sobald ein Stausee errichtet wird, konkurrieren zwei Effekte: Während die wärmende Albedo-Wirkung der Wasserfläche unmittelbar eintritt, steigert sich die CO2-Einsparung erst nach und nach, bleibt doch dieses Treibhausgas über mindestens hundert Jahre in der Atmosphäre. «Wir haben erstmals berechnet, wie lange es bei einem Wasserspeicherkraftwerk dauert, bis der CO2-Einsparungseffekt den Albedo-Effekt besiegt», erklärte Wohlfahrt in einer Mitteilung, also «einfach gefragt, wie lange dauert es, bis ein Stausee netto auf das Klima kühlend wirkt?»

Der Studie zufolge benötigt rund die Hälfte der untersuchten Stauseen aufgrund des Albedo-Effekts weniger als vier Jahre, um netto auf das Klima kühlend zu wirken. Sie können daher zu den mittelfristigen Klimastabilisierungszielen beitragen.

19 Prozent der Speicherseen benötigen bereits mehr als 40 Jahre, um netto kühlend zu wirken, und 13 Prozent sogar mehr als 80 Jahre. Angesichts einer durchschnittlichen Lebensdauer einer Wasserkraftanlage von rund 80 Jahren sei der Neubau solcher Wasserkraftwerke zur Erreichung mittelfristiger Klimaziele kontraproduktiv, betont der Wissenschaftler.

In den Tropen ist der Albedo-Effekt besonders gross
Das gilt vor allem für Wasserkraftwerke in den Tropen, wo die Sonneneinstrahlung hoch und damit der Albedo-Effekt, und damit die erwärmende Wirkung aufs Klima, grösser ist. Wasserkraftwerke in hohen, insbesondere nördlichen, Breitengraden hätten dagegen einen Vorteil, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Arbeit. Allerdings würden 90 Prozent der derzeit in Planung oder Bau befindlichen Wasserkraftwerke zwischen dem 40. nördlichen und 40. südlichen Breitengrad liegen, was die Forscher als «besonders problematisch» bezeichnen.

Entscheidend ist auch das Verhältnis zwischen jährlicher Energieerzeugung und Seefläche. Je kleiner der Energieertrag in Relation zur Seefläche ist, desto stärker ist der Albedo-Effekt. «Worst case ist daher ein flacher, grosser Stausee im tropischen Klima», betonte Wohlfahrt.

Als Konsequenz ihrer Berechnungen regen die Wissenschaftler an, dass die Berechnung des Albedo-Effektes bei Genehmigungsverfahren von Wasserkraftanlagen genauso berücksichtigt wird wie negative Auswirkungen auf die Umwelt.