Auch Säcke aus vermeintlich umweltfreundlichem Kunststoff können länger die Natur belasten als wohl viele Menschen annehmen. Eine Studie zeigt, dass sie nach drei Jahren im Boden oder im Meerwasser noch so stabil sein können, dass sie auch mit mehr als zwei Kilogramm Inhalt nicht reissen. Am stärksten zerfiel biologisch abbaubarer Kunststoff – wie auch gewöhnlicher Kunststoff –, wenn er Luft und Sonne ausgesetzt war, berichten Imogen Napper und Richard Thompson von der Universität Plymouth (Grossbritannien) im Fachmagazin «Environmental Science & Technology».    

«Biologisch abbaubare, oxo-abbaubare und kompostierbare Kunststoffe werden häufig als mögliche Lösung gegen die Ansammlung von Plastikmüll und Abfällen angesehen», schreiben die Forscher. Oxo-abbaubare Kunststoffe enthalten Zusätze, die das Material rascher zerfallen lassen. Weil dabei Mikroplastik entsteht, das kaum mehr weiter abgebaut wird, gibt es Bestrebungen in der EU, solche Kunststoffe zu verbieten.    

Napper und Thompson wollten herausfinden, was tatsächlich mit den Materialien in verschiedenen Umgebungen geschieht. Sie besorgten sich im lokalen Einzelhandel Tragetaschen aus konventionellem Polyethylen, aus dem die meisten Plastiksäcke bestehen, sowie aus verwandten Plastikarten, die als biologisch abbaubar, oxo-abbaubar und kompostierbar angepriesen wurden. Die Forscher verglichen die vier Plastik-Varianten.

So sehen die «biologischen» Plastiksäcke nach drei Jahren im Meer aus (Video: University of Plymouth):

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An der Luft, im Meer und im Boden  
Den Grossteil der Säcke schnitten sie in 15 mal 25 Millimeter grosse Stücke und legten sie in Netze aus Polyethylen hoher Dichte mit einer Maschengrösse von einem Millimeter. Dann hängten die Wissenschaftler die Netze im Freien auf, vergruben sie im Boden oder versenkten sie, mit einem Gewicht beschwert, in Meerwasser. Nach 9, 18 und 27 Monaten nahmen sie jeweils Proben und untersuchten sie. Ausserdem wurden ganze Plastiktüten den entsprechenden Umgebungen ausgesetzt.    

Alle Kunststoffstreifen einschliesslich des Polyethylens waren nach spätestens 18 Monaten im Freien komplett zerfallen. «Die schnellere Fragmentierungsrate an der Luft dürfte auf höhere Anteile an ultravioletter Strahlung (UV) und Sauerstoff in Kombination mit höheren Temperaturen als in anderen Umgebungen zurückzuführen sein», schreiben die Forscher.    

Nach 18 Monaten hatte sich der kompostierbare Kunststoff zudem im Meer aufgelöst, während er im Boden auch nach 27 Monaten noch vorhanden war. Allerdings war seine Belastbarkeit durch Zugspannung zu mehr als 70 Prozent verringert. Der Sack aus kompostierbarem Kunststoff war der einzige, der nach drei Jahren keinen Inhalt mehr tragen konnte. Tragtaschen aus oxo-abbaubarem, biologisch abbaubarem und gewöhnlichem Plastik, die drei Jahre lang im Meer und in der Erde gewesen waren, hielten hingegen 2,25 Kilogramm Gewicht.

Umweltschützer raten ab  
«Diese Untersuchung wirft eine Reihe von Fragen auf, was die Öffentlichkeit erwarten kann, wenn etwas als biologisch abbaubar bezeichnet wird», erklärt Thompson. Er betont die Notwendigkeit von Normen für abbaubare Materialien. Das Fazit der Forscher lautet: «Für viele Anwendungen, bei denen Kunststoff-Tragetaschen verwendet werden, stellt die Haltbarkeit in Form einer Tasche, die oft verwendet werden kann und wird, eine bessere Alternative zur Abbaubarkeit dar.»    

Zu diesem Schluss kommt auch der deutsche Naturschutzbund (Nabu). Selbst der Stoffbeutel sei aus Umweltgesichtspunkten nur dann besser als eine Plastik-Tragtasche, wenn er oft genutzt werde: «Es wird davon ausgegangen, dass eine Tasche aus konventioneller (d.h. nicht kontrolliert biologisch angebauter) Baumwolle über hundertmal so oft wie eine erdölbasierte Kunststofftüte genutzt werden muss, um die schlechtere Klimabilanz auszugleichen», heisst es beim Nabu. Die Umweltschützer raten von Bioplastiksäcken jeglicher Zusammensetzung ab, da bisher kein ökologischer Vorteil gegenüber der klassischen Plastik-Tragtasche nachzuweisen sei.