Das Nachtkerzengewächs Oenothera drummondii kann offenbar die Geräusche von Bienen und Faltern erkennen und produziert daraufhin Nektar mit höherem Zuckergehalt. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam um Marine Veits und Lilach Hadany von der Tel Aviv Universität. Sie liefern damit einen weiteren Hinweis darauf, dass Pflanzen womöglich Geräusche wahrnehmen und darauf reagieren können.      

Das Team um Marine Veits beschallte Blüten mit Aufnahmen einer summenden Biene, sowie mit Tönen im gleichen Frequenzbereich. Anschliessend verglichen die Wissenschaftler den Zuckergehalt im Nektar mit unbeschallten Blüten und solchen, die sie höheren Frequenzen aussetzten.      

Innerhalb von drei Minuten stieg der Zuckergehalt im Nektar der mit Bienensummen und ähnlichen Frequenzen beschallten Blüten von rund 16 auf etwa 20 Prozent. Dies könnte dazu dienen, die Bestäubungs-Chancen zu erhöhen: Süsserer Nektar könnte die gleiche oder eine andere Biene dazu motivieren, die Blüte erneut anzufliegen, schreiben die Forschenden im Fachartikel, der bereits online verfügbar ist, aber noch nicht offiziell begutachtet wurde.      

«Wir haben festgestellt, dass die Blüten mechanisch vibrieren in Reaktion auf diese Geräusche», schreiben die Wissenschaftler. Dies deute auf einen plausiblen Mechanismus hin, bei dem Blüten als Hörsinnesorgan von Pflanzen fungieren. Bei höheren Frequenzen und mit reduzierter Zahl Blütenblätter vibrierten die Blüten nicht oder weniger. Auch wenn die Forschenden allein die Blüte in schalldichte Glasglocken packten, gab es keinen süsseren Nektar.      

«Ich kann mir gut vorstellen, dass Pflanzen auf Geräusche in bestimmten Frequenzbereichen reagieren», kommentiert Matthias Erb von der Universität Bern die Studie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Der Pflanzenwissenschaftler war nicht an der Forschungsarbeit beteiligt, hält die Ergebnisse aber für plausibel: «Es würde mich nicht überraschen, wenn sich diese Resultate bestätigen liessen.»

Mehr Störgeräusche in der Natur  
Erb betont jedoch, dass die Studie sehr auf die Beschreibung des Phänomens fokussierte. Die Experimente fanden im stillen Labor mit Lautsprechern statt und nicht in der Natur oder zumindest mit einem echten Insekt. «Eine Biene in freier Wildbahn ist etwas ganz anderes als diese Aufnahmen», so Erb. Zum Beispiel sondern Bienen auch Duftstoffe ab, welche die Pflanze eventuell wahrnehmen könnte.            

In der Natur gebe es ausserdem eine vielfältige Geräuschkulisse, die biologische Bedeutung dieser Beobachtung sei daher noch nicht geklärt. «An einem windstillen Sommertag in der Natur könnten die Geräusche einer Biene eine Pflanze möglicherweise schon beeinflussen, aber mit Störgeräuschen wird es schwieriger», sagte der Pflanzenwissenschaftler.      

Dies könnte auch einen neuen Aspekt zu der Frage hinzufügen, warum die Bestäubungsleistung im Siedlungsraum niedriger ist. Weniger Insekten und künstliches Licht wurden bereits als Störquellen identifiziert, möglicherweise spiele aber auch die Geräuschkulisse eine Rolle.

Pflanzenhaare involviert?  
Falls sich das Phänomen bestätige, wäre der nächste Schritt zu prüfen, ob tatsächlich die Blüte als Hörorgan fungiere. «Möglicherweise spielen auch Pflanzenhaare, sogenannte Trichome, die auf der Pflanzenoberfläche sitzen, eine Rolle», spekuliert Erb.      

Bisher ist die Arbeit noch nicht in einem Fachjournal erschienen. Wie Expertengutachter darauf reagieren werden, ist im Moment somit unklar. Diese Unsicherheit müsse aber nicht gegen die Ergebnisse sprechen, so der Berner Pflanzenwissenschaftler. «Hier dokumentiert ein Forschungsteam ein Phänomen, das erst einmal Unglauben auslöst.» Ähnlich ging es den ersten Studien, die dokumentierten, dass Pflanzen «riechen» können, also Stoffe in der Luft wahrnehmen.      

Erste Hinweise, dass Pflanzen hören können, gibt es indes durchaus. So zeigte ein internationales Forschungsteam 2014, dass die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana auf die Fressgeräusche von Raupen mit der Ausschüttung von Giftstoffen reagiert. Auch gibt es Pflanzen, die auf die Vibration des Flügelschlags von Bestäubern hin Pollen ausschütten – ein Phänomen, das Fachleute «Vibrationsbestäubung» nennen.