Die Schweizer Zuckerrübenbauern hatten Anfang September angesichts der grassierenden Seuche gleich lange Spiesse mit dem Ausland und die vorübergehende Wiedereinführung des Insektizids «Gaucho» gefordert.

Die Landwirte in zehn Ländern der Europäischen Union (EU), darunter Frankreich, hatten eine Notbewilligung für den Einsatz des Mittels erhalten. Seit 2019 ist diese Wirkstoffgruppe in der EU verboten.

Imker und Umweltschützer stellten sich der Forderung der Schweizer Rübenpflanzer indes vehement entgegen, weil Neonicotinoide ein Risiko für die bestäubenden Insekten sind.

Nach einem Runden Tisch mit Akteuren der Branche und von Umweltschutzorganisation hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) nun entschieden, die zwei Produkte Movento SC und Gazelle SG zur Bekämpfung der Blattläuse zuzulassen, die das Virus übertragen, das die viröse Vergilbung verursacht. Dies teilte das BLW am Donnerstag mit.

Hälfte der Ernte bedroht
Den Zuckerrübenproduzenten drohen wegen der Blattseuche Verluste von bis zu 50 Prozent der Ernte. Es ist daher laut BWL mit einem Rückgang der schweizerischen Zuckerproduktion zu rechnen.

Der Bundesrat hat das BWL deshalb beauftragt, Möglichkeiten zu prüfen, wie die virusübertragenden Blattläuse verstärkt bekämpft werden könnten, wie es in der Mitteilung hiess. Zu einem möglichen Programm zählen insbesondere die Erforschung alternativer Methoden zum Schutz der Zuckerrüben, die Ermittlung von toleranteren Sorten sowie Warnmodellen zur gezielteren Bekämpfung. Zudem sollen Produktionssysteme unterstützt werden, die auf den Einsatz von Pestiziden verzichten.

Der Verband der Schweizer Zuckerrübenpflanzer zeigte sich in einer Stellungnahme enttäuscht und «konsterniert» über die Ablehnung der befristeten Notzulassung von «Gaucho». Ob die beiden bewilligten Wirkstoffe für die Flächenspritzung die Epidemie stoppen könnten, müsse sich erst noch zeigen.

Anbau «in Grundfesten» gefährdet
Der Entscheid des Bundes führe zu einem massiven Wettbewerbsnachteil der einheimischen Zuckerproduktion und gefährde diese «in ihren Grundfesten». Er habe zur Folge, dass mehr Zucker aus dem Ausland importiert werde, der nachweislich weniger nachhaltig produziert werde. Der SZV fordert deshalb, dass nur noch Zucker importiert werden darf, der ohne Pflanzenschutzmittel hergestellt wurde, die in der Schweiz nicht zugelassen sind.

Das vom Bundesrat in Auftrag gegebene Forschungspaket wird vom SZV begrüsst. Züchtungsunternehmen müssten so schnell wie möglich tolerante Sorten entwickeln. Zudem müssten alternative Bekämpfungsmöglichkeiten gegen Blattläuse und andere Schädlinge gefunden und getestet werden.

«Vernünftiger Entscheid»
«Vernünftig» ist der Entscheid des BLW dagegen für die Umweltverbände. Mit der Ablehnung der Notfallzulassung sei nun der Weg frei für eine weitsichtige Lösung, die die Probleme beim Zuckerrübenanbau unter Einbezug von Produzenten, Verarbeitern und Handel anpacke, teilten Pro Natura und Birdlife Schweiz mit. Statt Symptombekämpfung brauche es eine «Gesamtstrategie Zucker».

Dafür hätten sich die Umweltverbände am Runden Tisch eingesetzt. Diese Strategie solle sich nicht nur mit agronomischen Massnahmen befassen, sondern auch mit der Herkunft des Saatguts und den Rahmenbedingungen für einen pestizidfreien Zuckerrübenanbau. Auch der Konsum, die Preispolitik sowie Importbeschränkungen gehören laut Mitteilung in diese Strategie.