«Nichts in der Biologie ergibt Sinn, ausser im Lichte der Evolution betrachtet», schrieb der russisch-amerikanische Biologe Theodosius Dobzhansky 1973 in einem Essay. Dieser viel zitierte Satz fasst zusammen, was die Evolutionstheorie eigentlich tut: Sie erklärt, warum Organismen so aussehen, wie sie aussehen und warum sie tun, was sie tun. Auch wenn die Evolutionstheorie heute grosse Zustimmung findet, gibt es immer noch viele, die sie ablehnen. Und etliche Missverständnisse halten sich immer noch hartnäckig.

1. Der Mensch stammt vom Affen ab
Falsch. Menschen und Affen haben lediglich einen gemeinsamen Vorfahren. Das bedeutet, dass sich die beiden Linien irgendwann aufgespalten haben und die Affen zu Affen und die Menschen zu Menschen wurden. Von den grossen Menschenaffen haben sich als Erste die Orang-Utans abgespalten, dann die Gorillas und schliesslich unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen und die Bonobos, die zusammen die Gattung Pan bilden. Der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Pan hat vermutlich vor sieben Millionen Jahren gelebt.

2. Es geht um das Überleben des Stärkeren
Mit diesem missverstandenen Konzept wurde in der Vergangenheit der Kolonialismus gerechtfertigt (Stichwort «Sozialdarwinismus») und auch im Nationalsozialismus musste Darwin den Kopf hinhalten, wenn es darum ging, die «Erkenntnisse» der NS-Wissenschaftler zu legitimieren. Was Darwin mit seiner natürlichen Selektion aber meinte war, dass derjenige überlebt, der am besten an die zu einer bestimmten Zeit herrschenden Umweltbedingungen angepasst ist. Ein Teil seiner Nachkommen erbt diese Anpassung und hat nun einen Vorteil. Mehr von diesen Nachkommen überleben und ihre Nachkommen ebenfalls und so breitet sich die Anpassung in der Population aus, welche sich so verändert und weiterentwickelt. Ändern sich die Umweltbedingungen, kann ein Vorteil aber auch plötzlich zum Nachteil werden.

3. Evolution ist sowieso nur eine Theorie
In der Wissenschaft spricht man bei einer fundierten, gut dokumentierten Erklärung eines Aspektes der Natur von einer Theorie. Die Existenz von Evolution an sich ist eine anerkannte Tatsache, allerdings sind die Mechanismen, mit denen sie arbeitet noch nicht ganz verstanden. Evolution lässt sich beobachten und beweisen, indem man beispielsweise Bakterienkolonien über mehrere Generationen veränderten Umweltbedingungen aussetzt. Antibiotika-Resistenzen sind ein Beispiel solcher bakterieller Evolution.

4. Evolution macht Lebewesen besser
Durch natürliche Selektion entstehen Lebewesen, die besser an ihre jeweilige Umwelt angepasst sind. Evolution ist aber kein zielgerichteter Prozess. Gewisse Merkmale sind unter gewissen Bedingungen vorteilhaft, unter anderen nicht. So hat der Mensch zum Beispiel dank seiner Zweibeinigkeit viel Mobilität gewonnen und hatte die Hände frei für den Gebrauch von komplexen Werkzeugen, die veränderte Anatomie des Beckens bewirkt allerdings, dass Kinder nur noch unter grossen Schmerzen und nicht ohne fremde Hilfe zur Welt gebracht werden können. Deshalb kann man den Homo sapiens auch nicht an die Spitze der Evolution stellen. Viele Organismen sind nicht perfekt an ihren Lebensraum angepasst, sondern einfach gut genug.

5. Religion und Evolution sind nicht vereinbar
Evolution erklärt nicht, woher das Leben selbst kommt, sondern nur, wie sich dieses über die Zeit verändert. Daher kann man durchaus an die Schöpfung glauben und die Evolutionstheorie anerkennen. Auch für Papst Franziskus sind Glaube und Evolution kein Widerspruch. Mit dem Urknall, einer weiteren breit abgestützten wissenschaftlichen Theorie, hat er ebenfalls kein Problem. Der Urknall werde heute als Ursprung der Welt gesehen, sagte er im Oktober 2014. «Er widerspricht der kreativen Intervention Gottes nicht, sondern setzt sie im Gegenteil voraus.»