Herr Farinha, welche Erfahrungen haben Sie mit dem Steuern von Drohnen in tropischen Regenwäldern gemacht?
Sequeira Guedes Tristany Farinha: (lacht) Bisher noch keine, diese Herausforderung wartet erst nächstes Jahr auf mich, wenn alles so läuft wie geplant. Bisher habe ich Drohnen unter anderem in Island gesteuert, um einen Vulkan zu erforschen. Das war am Anfang meiner Zeit am Imperial College London. Wir verwendeten kleine, leichte Drohnen, die eine Kamera transportieren konnten. Zugleich musste es möglich sein, die Flugroboter im Gepäck auf den Berg zu tragen.

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Welche Herausforderungen stellen sich nächstes Jahr in Borneo?
Wenn man mit Drohne im Regenwald fliegen will, hat man verschiedene Möglichkeiten. Je nachdem, was man plant, kann man eine grosse Drohne einsetzen, die dann über eine entsprechend grosse Reichweite besitzt.

Und die man dann per Helikopter über dem Regenwald absetzt?
Genau. Das hat allerdings den Nachteil, dass zusätzliche Logistik notwendig ist, was wiederum Kosten mit sich zieht. Daher ist das keine Option für uns. Zudem dürfte es schwierig werden, mit einer solch grossen Drohne das dichte Blätterdach der Wälder zu durchdringen. Doch genau das haben wir vor. Wir werden daher kleinere Drohnen starten, direkt aus den festgelegten Zielgebieten im tropischen Regenwald. Die Herausforderung besteht in unserem Fall vor allem darin, diese Drohnen mit dem notwendigen Material zu bestücken, ohne sie zu überladen. 

Wie genau werden Sie die Flugkörper durch die Wälder steuern?
Vom Boden aus. Normalerweise kann man ein GPS-Signal verwenden, um die Drohne in einem Zielgebiet sicher zu bewegen. Das ist in Borneo wohl nicht möglich. Denn das Blätterdach schirmt das Signal ab. Daher ist manuelle Steuerung gefragt. Die wendigen kleinen Drohnen besitzen daher eine Kamera, die einen Livestream sendet, was beim Navigieren hilft. Sobald man einen günstigen Ort gefunden hat, schiesst man Pfeile ab. 

Mit welchem Ziel?
Es handelt sich dabei um leichte Flugkörper mit einem kleinen Plastikmantel. Die Geschosse sind mit Sensoren bestückt und besitzen kleine Stabilisatoren, mit denen sie dann in den Bäumen stecken. 

Das liesse darauf schliessen, dass Sie Informationen direkt aus den Stämmen holen?
Nein, die Bäume dienen lediglich der Befestigung. Wir holen keine Daten direkt aus ihnen. Vielmehr messen die Sensoren unter anderem Helligkeit, Temperatur und Feuchtigkeit, in verschiedenen Höhen. Auf diese Art und Weise erforschen wir das Mikroklima im tropischen Urwald. Und wir sehen, wie es sich verändert. Unter anderem wollen wir den Puffereffekt beobachten, der durch das Blätterdach entsteht. Mit den so gewonnen Daten kann man der Frage nachgehen, wie und woran sich die Tiere in Zukunft anpassen müssen, wenn sich das Klima verändert.

Die neuen Flugroboter im Test

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Beobachten Sie die Zu- oder Abnahme der Populationen?
Grundsätzlich wäre es möglich, zu erforschen, wie viele Tiere im jeweiligen Bereich des tropischen Regenwaldes leben. Dazu braucht man allerdings hochauflösende Mikrofone, die alle Geräusche ständig aufnehmen, und zusätzliche Kameras. Das würde allerdings zusätzliches Gewicht bedeuten, und zudem sind die Batterien unserer Drohnen für solche Messungen zu schwach. Wir sind darauf angewiesen, dass sie – trotz niedrigem Gewicht des Flugroboters – während mehrerer Monate ununterbrochen Strom spenden und die Sensoren versorgen. Mit zusätzlichen Geräten wäre das nicht möglich. 

Wie funktionieren Ihre Messungen?
Die kleinen Sensoren, die wir in den Bäumen befestigen, kommunizieren miteinander und senden uns ihre Messdaten. Auf diese Weise entstehen Bilder des Mikroklimas der Zielgebiete. Die Sektoren sind 100 auf 100 Meter gross, und wir werden in einem ersten Schritt mehrere Gebiete vermessen. Pro Gebiet sind mehrere 100 Sensoren nötig. Das Ziel ist, dass ich die Pfeile zu einem späteren Zeitpunkt vom Boden einsammeln kann. Viele von ihnen dürften irgendwann von den Stämmen fallen. Damit sie gut erkennbar sind, wurden sie mit greller Farbe besprüht. 

In der Medienmitteilung zum Projekt erzählte ihr Team, es sei denkbar, dass Drohnen dereinst die Wälder bevölkern.
Das ist ein langfristiges Ziel, ja. Denn wenn unsere Versuche glücken, können die Gebiete ausgeweitet werden. Drohnen sollen dann umfassende Informationen über die Entwicklung des Mikroklimas – und somit zum Zustand der Wälder – liefern. Dadurch wissen wir noch besser, was wir schützen müssen und welche Massnahmen gefragt sind. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, einer, den wir mit kleinen Schritten gehen müssen. 

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Lässt sich Ihr System auch in unseren Wäldern einsetzen?
Durchaus! In europäischen Wäldern ist zudem die Navigation einfacher. Die Bäume wachsen hier in der Regel gerader.

Und die Tiere? Werden sie durch die Flugkörper und Pfeile gefährdet?
Nicht im geringsten! Eine Drohne ist eine laute Maschine. Ihre Anwesenheit schlägt die meisten Tiere in die Flucht. Falls nicht, haben wir ja immer noch den Livestream der Kamera, der uns beim Navigieren hilft. Sobald man etwa ein Eichhörchen auf einem Baum erblickt, steuert man eben woanders hin, um die Sensorpfeile ab zu schiessen. Diese wiederum sind ebenfalls völlig ungefährlich für die Waldbewohner. Es ist lediglich denkbar, dass mal ein Tier neugierig daran herumzerrt, worauf der Sensor zu Boden fällt.

Wie geht es nun weiter mit dem Projekt?
Zunächst ist der Dezember ein spannender Monat für mich. Da werde ich in den Waldgebieten in Surrey, im Osten von London, ein Sensornetzwerk aus zehn Pfeilen aufbauen und ein paar Wochen später die Daten sammeln, die es aufzeichnet. Nächstes Jahr geht es dann nach Borneo, wenn alles klappt. Dort werden dann die grösseren Netzwerke aufgebaut und Resultate ausgeweitet. Danach soll das Projekt immer weiter wachsen, Schritt um Schritt. Den Wäldern und ihrem Erhalt zuliebe.