Es ist eine Premiere, die es in sich hat. Astronomen präsentierten am Mittwoch die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs. Zwei Jahre lang haben sie die Beobachtungen ausgewertet, für die sich acht Observatorien auf vier Kontinenten zum Event Horizon Telescope (EHT) zusammengetan haben. Auf sechs zeitgleichen Pressekonferenzen rund um den Globus stellte das Team das Ergebnis vor: Einen leuchtenden Ring mit einem schwarzen Zentrum. Zuvor hatte es lediglich Illustrationen von Schwarzen Löchern und ihrer unmittelbaren Umgebung gegeben.

Was haben die Astronomen beobachtet?  
Die Forscher haben das Zentrum der gigantischen Galaxie Messier 87 (M87) ins Visier genommen. Aus anderen, indirekten Beobachtungen wussten die Forscher bereits, dass im Zentrum von M87 ein gewaltiges Schwarzes Loch sitzt, dass die milliardenfache Masse unserer Sonne hat. Mit dem Teleskopnetzwerk haben die Astronomen dieses Schwarze Loch nun erstmals direkt abgebildet. «Das ist das erste Bild eines Schwarzen Lochs», betonte der Vorsitzende des EHT-Wissenschaftsrats, Heino Falcke von der niederländischen Radboud-Universität, auf der Pressekonferenz in Brüssel. Die Aufnahme zeigt einen leuchtenden Ring mit einem dunklen Kern – dem Schatten des Schwarzen Lochs.

Was ist ein Schwarzes Loch?  
Schwarze Löcher sind eine der Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie, die Albert Einstein vor rund einem Jahrhundert aufgestellt hat. In ihnen ist die Masse von einigen bis mehreren Milliarden Sonnen auf einen Punkt komprimiert. Durch die immense Gravitation kann aus der direkten Umgebung nicht einmal Licht entkommen, daher der Name. Schwarze Löcher können beispielsweise entstehen, wenn ausgebrannte Riesensterne unter ihrem eigenen Gewicht zusammenstürzen. Die genaue Entstehung von supermassereichen Löchern wie in M87 ist noch nicht geklärt.

Wie können die Astronomen ein Bild vom Schwarzen Loch machen?   Das Schwarze Loch selbst ist tatsächlich auch für die besten Teleskope unsichtbar. Es zeichnet sich jedoch vor der hell leuchtenden Umgebung ab.

Warum leuchtet die Umgebung?  
Das Schwarze Loch verleibt sich neue Materie ein. Diese Materie verschwindet aber nicht auf direktem Weg im Schlund des Schwerkraftmonsters. Stattdessen sammelt sie sich zunächst auf einer immer schneller rotierenden Scheibe – ähnlich wie Wasser in einem Strudel aus der Badewanne fliesst. In dieser sogenannten Akkretionsscheibe wird die Materie durch gegenseitige Reibung Millionen Grad heiss und leuchtet dadurch hell auf. Am inneren Rand der Scheibe liegt der sogenannte Ereignishorizont, auf Englisch «event horizon», der dem Projekt seinen Namen gab. Er ist der letzte Ort im Umkreis eines Schwarzen Lochs, von dem aus noch Licht entkommen kann.

Warum ist das so schwer abzulichten?  
Schwarze Löcher besitzen zwar unvorstellbar viel Masse, sind dabei aber sehr klein. Ein Schwarzes Loch mit der Masse unserer Erde wäre beispielsweise nur so gross wie eine Kirsche. Zudem sind die Schwarzen Löcher sehr weit weg: M87 ist 55 Millionen Lichtjahre entfernt. Ein Lichtjahr ist die Strecke, die das Licht in einem Jahr zurücklegt. Es lässt sich kein Teleskop bauen, das in dieser Entfernung noch Details des Ereignishorizonts erkennen kann.

Wie haben die Forscher es dennoch geschafft?  
Für das Event Horizon Telescope haben die Wissenschaftler acht Radioteleskop-Observatorien auf vier Kontinenten miteinander kombiniert. Die Teleskope haben alle zur selben Zeit M87 beobachtet und dabei die Zeit einer Atomuhr aufgezeichnet. Im Nachhinein wurden die Beobachtungsdaten mit Hilfe des extrem genauen Zeitsignals verknüpft. Dadurch ergibt sich rechnerisch ein Bild, wie es von einem Riesenteleskop mit dem Durchmesser des gesamten Teleskopnetzwerks aufgenommen worden wäre – das Event Horizon Telescope. Dieses virtuelle Teleskop hat einen Durchmesser von rund 8000 Kilometern, fast so gross wie die Erde. Es erreicht eine Detailschärfe, mit der sich umgerechnet noch von Berlin aus eine Zeitung in New York lesen lassen würde.

Wieso nutzen die Astronomen Radioteleskope?  
Radiowellen sind genau wie sichtbares Licht elektromagnetische Wellen, sie haben nur eine sehr viel grössere Wellenlänge. Ihr Vorteil ist, dass sie von Gas und Staub nicht so stark geschluckt werden. Schwarze Löcher sind meist von grossen Mengen Gas und Staub umgeben. Nur mit Radiowellen konnten die Astronomen bis zum Ereignishorizont vordringen.

Was lernen die Astronomen aus dem ersten Bild eines Schwarzen Lochs?  
Die Aufnahme entspricht der Erwartung und zeigt damit, dass die Allgemeine Relativitätstheorie selbst unter diesen extremen Bedingungen Bestand hat. Ausserdem erlaubt sie, manche alternative Erklärungen für das Phänomen wie Wurmlöcher oder sogenannte Boson-Sterne auszuschliessen, erläuterte Luciano Rezzolla von der Goethe-Universität Frankfurt. Ganz konkret liess sich auch die Masse des Schwarzen Lochs in M87 bestimmen: Es besitzt demnach 6,5 Milliarden Mal die Masse unserer Sonne. Das war vorher nicht abschliessend geklärt.

Warum leuchtet der Ring um das Schwarze Loch nicht gleichmässig?  
Auch das entspricht der Erwartung, wie Monika Mocibrodzka von der Radboud-Universität berichtete. Die unterschiedliche Helligkeit des Rings ist eine Folge der Rotation – entweder des Schwarzen Lochs oder der Scheibe oder von beidem.

Kann das Event Horizon Telescope auch andere Schwarze Löcher beobachten?  
Ja, die Forscher haben bereits das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer eigenen Galaxie, der Milchstrasse, ausgespäht. Es ist zwar rund 2000 Mal dichter als M87, aber auch etwa 1500 Mal kleiner, so dass der Ereignishorizont ungefähr gleich gross am Himmel erscheint. Allerdings ist es nach Worten der Forscher auch 1000 Mal unruhiger als der Raumzeit-Schlund im Herzen von M87. Daher ist die Auswertung deutlich komplizierter. Die Astronomen sind aber zuversichtlich, bald auch von dort ein Bild präsentieren zu können. Ausserdem arbeiten sie an einer Optimierung der Untersuchungstechnik, durch die weitere Schwarze Löcher in die Reichweite des Event Horizon Telescope rücken.

Was bringen den Astronomen diese Beobachtungen?  
Zum einen erlauben sie weitere Tests der Relativitätstheorie unter den extremsten Gravitationsbedingungen, die es im Universum gibt. Zum anderen sind auch viele Fragen zu den Schwarzen Löchern noch nicht geklärt, etwa wie die Materie genau in den Schlund strudelt. Oder warum bei manchen Schwarzen Löchern ein Teil dieser Materie vor Erreichen des Ereignishorizonts in einem scharf gebündelten Strahl wieder hinausgeschleudert wird. Solche Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf das Bild, das Astrophysiker gegenwärtig von unserem Universum haben.