Inseln haben etwas Faszinierendes. Nicht zuletzt, weil auf vielen von ihnen im Laufe der Geschichte eine eigenständige Flora und Fauna entstanden ist. Die Ökosysteme unterscheiden sich mitunter von denjenigen anderer Inseln und der Kontinente. Diese Isolation hat auch Nachteile: Einige Ökosysteme sind anfällig für invasive Arten – ein Thema, das immer wieder Anlass zu Diskussionen gibt. 

So stört sich Umweltjournalist Fred Pearce in seinem Buch «Die neuen Wilden» (Oekom Verlag, 2016) am negativ behafteten Begriff «Invasoren». Die massenhafte Vermehrung fremder Arten ist seiner Beobachtung nach nicht die Ursache ökologischer Schäden, sondern ihr Symptom. Probleme durch fremde und eingewanderte Pflanzen und Tiere würden vor allem dort Überhand nehmen, wo der Mensch die Ökosysteme bereits massiv gestört hat.

Laut «3sat», wo das Buch vor zwei Jahren besprochen wurde, gebe es zudem durchaus Fälle, in denen sich solche Schäden wissenschaftlich belegen lassen. Dabei handle es sich aber häufig um kleine abgelegene Inseln, auf denen kleine Ökosysteme existieren, die besonders anfällig für Störungen sind. Diese Lebensräume seien aber sehr untypisch. Trotzdem seien sie laut «3sat-Online» zum Präzedenzfall für unsere Einstellung gegenüber fremden Arten geworden.

Sardinien hat ein Problem mit fremden Arten
Ungeachtet aller Polemik, auf Sardinien bereiten invasive Pflanzen und Tiere den Umweltschützern zurzeit Kopfzerbrechen. Über die «grossen Schäden der Biodiversität», die sie auf dem Eiland anrichteten, berichtete die Tageszeitung «L’Unione Sarda» am 14. September. Sie würden die inseleigenen Arten vertreiben. Invasive Arten wie der der Geringelte Seehase (Aplysia dactylomela), eine bis zu 30 Zentimeter grosse Meeresschnecke, die über den Suezkanal bis nach Sardinien gelangt ist. Für der Wanderung sei vermutlich die Erwärmung des Meeres schuld.  

Das italienische Institut für Umweltschutz und Forschung beobachtet solche Fälle mit Argusaugen. 33 gefährliche Arten seien nach jüngsten Erhebungen in Italien eingewandert, lässt es sich zitieren. Vier davon haben sich auf Sardinien niedergelassen. Dazu gehört die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die Einheimische und Touristen gleichermassen verunsichert. Dabei sind Stechmücken auf Sardinien eigentlich alltägliche Plagegeister. Die meisten ihrer Stiche sind harmlos und lediglich lästig. 

Doch ein Stich der Asiatische Tigermücke, die für Laien nicht von anderen Mücken zu unterscheiden ist, birgt Gefahren. Die Einwaderin, die ursprünglich in den süd- und südostasiatischen Tropen und Subtropen zuhause ist, überträgt Krankheitserreger: vor allem das Zika- und Chikungunya-Virus sowie das West-Nil-Fieber.


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Die Asiatische Tigermücke verunsichert Touristen und Bevölkerung auf Sardinien. (Foto: Center for Disease Control and Prevention/Public Domain) 

Erste Fälle von Ansteckung
Bereits meldeten italienische Medien im September erste Ansteckungen mit diesen potentiell tödlichen Krankheiten durch Mückenstiche. Und die «Süddeutsche Zeitung» berichtete am letzten Samstag, dass in Italien, Griechenland und Serbien bereits 47 Menschen an solchen Virusinfektionen gestorben seien: «Mindestens 400 Personen in Europa sind nachweislich infiziert – die tatsächliche Zahl dürfte sogar noch höher liegen», titelte die Zeitung. 

Eine andere Bedrohung für das Ökosystem auf Sardinien geht von Rhynchophorus ferrugineus aus, einem Vertreter der Familie der Rüsselkäfer. Wie «L’Unione Sarda» schreibt, habe er bereits zahlreiche Palmenhaine auf der Insel verwüstet. Die Folgen sind sichtbar, und gleichzeitig sind dadurch grosse wirtschaftliche Schäden entstanden. Der Käfer habe sich massiv ausbreiten können, weil er auf Sardinien kaum natürliche Feinde hat, schreibt Sardiniens Tageszeitung weiter. 

Ein Fall für die Uni
Auf die Herausforderungen, die sich durch fremde Arten ergeben, hat jetzt auch die Universität von Cagliari im Süden Sardiniens reagiert. Botanikerin Annalena Cogoni hat dort das Projekt «Life Asap» iniziert. 

Damit will sie in der Öffentlichkeit das Bewusstein für die Thematik wecken. Mit Führungen durch Fauna und Flora sollen im Speziellen die über 1,6 Millionen Inselbewohner sensibilisiert werden. «Sie müssen sich über die ökonomischen Schäden im Klaren sein, über diejenigen, die an der Biodiversität angerichtet werden sowie über die Gefahren für die Gesundheit, die von fremden Arten ausgehen», lässt sich Cogoni in «L’Unione Sarda» zitieren. «Life Asap» soll einen Grundstein legen, damit fremde Arten auf Sardinien in Zaum gehalten werden und die einheimischen nicht weiter verdrängen. 

Bereits haben sich Arbeitsgruppen aus Vertretern von Landwirtschaft, Landschafts- und Naturschutz sowie aus dem Gesundheitsbereich zusammengeschlossen, um unter anderem der Asiatischen Tigermücke den Kampf anzusagen. Gleichzeitig haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung und Touristen vor den Krankheiten umzusetzen, die sie übertragen kann. 

Ein Kampf gegen Windmühlen, scheint es, wenn man indes Luca Sanna vom Verband italienischer Landwirte «Coldiretti» zuhört. Gegenüber «L’Unione Sarda» macht er die Klimaerwärmung für die Zuwanderung fremder Arten nach Sardinien verantwortlich. Mit Blick auf den Wandel sagt er: «Wir wissen bereits, was geschieht. Und wir wissen, was in den nächsten 15 Jahren auf uns zukommt.» Sanna mahnt, jetzt zu handeln, bevor es zu spät sei. Ein Statement, das hilflos wirkt.