Wer eine Lokalzeitung abonniert hat, liest Tag für Tag von Lebensrettern. Meist ohne es zu merken. In einer Randspalte steht da zum Beispiel: «Eine bunte Schar von Freiwilligen hat am Samstag den Haldengutweiher von Schilf befreit.» Oder: «Am Wochenende wurde in der Kalkbreite mit viel Elan eine neue Hecke gepflanzt.»

Im Zeitungsjargon heissen diese kurzen Texte «Eingesandtes». Der Präsident oder der Aktuar des örtlichen Natur- oder Vogelschutzvereins müssen sie oft selber schreiben. Um einen Redaktor loszuschicken, scheint der Arbeitseinsatz im Wald, im Weiher oder in der Kiesgrube nicht immer wichtig genug. Obwohl es sich um Aktionen handelt, die unter Umständen Hunderte Kreaturen retten oder neues Leben ermöglichen: Wächst der Weiher zu, verschwinden Frösche und Kröten. Wird kein Schwarzdorn-, Heckenrosen- und Brombeergestrüpp angelegt, bleibt der Neuntöter weg. 

«Ohne diese lokalen Naturschützerinnen und Naturschützer sähe die Schweiz sehr viel anders aus», sagt denn auch Rico Kessler, Sprecher der Naturschutzorganisation Pro Natura. Denn es handelt sich nicht um Einzelaktionen. Ein dichtes Netz von Umweltorganisationen, -vereinen und -sektionen überzieht mit Tausenden freiwilligen Helfern unser Land. 

Pro Natura allein zählt rund 144 000 Mitglieder. Lokale Einsätze werden in der Regel durch eine der 23 kantonalen Sektionen organisiert. «Jährlich engagieren sich rund 3000 Menschen freiwillig», sagt Kessler. Der WWF Schweiz verfügt gar über mehr als 270 000 Supporter. Auch er hat 23 Sektionen, in denen laut Mediensprecher Stefan Inderbitzin mehr als 3000 Freiwillige aktiv sind. 

BirdLife Schweiz, der Schweizer Vogelschutzverband, ist sogar bis in die Gemeinden organisiert. 18 Kantonalverbände und nicht weniger als 450 lokale Sektionen mit insgesamt 65 000 Mitgliedern sind dem Verband angeschlossen, wie der Medienverantwortliche Stefan Bachmann sagt. Rund 5000 Personen seien in den Vorständen und lokalen bis nationalen Projekten ehrenamtlich aktiv; weitere geschätzte 5000 Leute helfen regelmässig bei Arbeitseinsätzen mit.

«Umweltschutz ist ein Megathema»
Stolze Zahlen, die nicht erodieren, wie man das von anderen Vereinen und Verbänden immer wieder liest. Bachmann bezeichnet die Entwicklung des Mitgliederbestands von BirdLife in den letzten 20 Jahren als «leicht zunehmend». Bei Pro Natura waren sie laut Kessler «stetig steigend», in den letzten Jahren gar «deutlich steigend». Und beim WWF ist die Zahl der erwachsenen Supporter seit dem Anfang des Jahrtausends «recht stabil» geblieben, wie Inderbitzin sagt. Dafür haben sich die Kindermitgliedschaften verdoppelt, auf heute 40 000.

«Der Umweltschutz ist eines der Megathemen unserer Zeit», sagt Inderbitzin. Die Debatten rund um den Klimaschutz, die Ernährung oder die Energiewende hätten dazu geführt, dass sich sehr viele Menschen um den Zustand der Welt sorgten. «Sie wollen die Welt schützen, in die unsere Kinder geboren werden. Sie haben keine andere.»

Die Einsatzpalette der freiwilligen Naturschützer ist breit: In fast jedem Schweizer Wald hängen sie Nistkästen für Vögel und Fledermäuse auf. Sie setzen Hochstamm-Obstbäume oder legen Hecken an. Sie befreien Bäche von Abfällen, Waldgebiete von eingeschleppten, sich ausbreitenden Pflanzen. Sie bauen Trockenmauern für Eidechsen und helfen Fröschen und Kröten über die Strasse.

Doch das ist längst nicht alles. Naturschutz ist nicht nur Naturpflege, sondern auch Information, Bildung, Dokumentation oder Politik. Wichtige Arbeiten bei Pro Natura, sagt Rico Kessler, seien der Jugendnaturschutz, also beispielsweise die Leitung einer Jugendgruppe, und die Gremienarbeit, also das Engagement in Vorständen oder Arbeitsgruppen. Allerdings drehe sich gut die Hälfte der Freiwilligen-Aktivitäten um die Pflege der 700 von der Organisation betreuten Naturschutzgebiete.

Im Wald gibt es weniger Arbeit
Nicht alle Tiergruppen und Lebensräume erhalten dabei gleich viel Aufmerksamkeit. Das liegt zum einen sicherlich daran, dass sich mehr Menschen für Vögel oder Amphibien begeistern lassen als für Spinnen oder Fliegen. Zum anderen benötigen aber auch nicht alle Landschaftstypen gleich viel Unterhalt. «Regelmässige Einsätze sind zum Beispiel nötig in den Gebieten, die einst Teil der traditionellen, artenreichen Kulturlandschaft waren», sagt Kessler. Also Hecken, Magerwiesen oder Hochstamm-Obstgärten. In Naturwaldreservaten oder Auengebieten dagegen reicht es, abgesehen von der Neophytenbekämpfung, der Natur freien Lauf zu lassen.

Für sich alleine mögen solche Einsätze anmuten wie Tropfen auf einen heissen Stein – der Grund, weshalb Zeitungsredaktionen nicht immer selbst von einer Weiherputzaktion berichten. Doch im Verbund entfalten lokale Naturschutzaktionen grosse Wirkung. Seine eigene lokale BirdLife-Sektion etwa, der Verein Naturnetz Unteramt (VNU), sei in rund zehn Gebieten im Zürcher Bezirk Affoltern tätig, sagt Stefan Bachmann. «Wenn man durch das Reppischtal oder von Birmensdorf nach Bonstetten fährt, sieht man ständig Naturgebiete, die vom VNU und von anderen Sektionen gepflegt werden.»

Tun, was der Bund nicht tut
Und dann gibt es da noch wahre Naturperlen, die es ohne all diese Menschen nicht mehr gäbe. Stefan Inderbitzin von WWF Schweiz nennt als Beispiel den Rheinfall. «Dort gab es Ideen für touristische Projekte oder ein Kraftwerk; das haben Leute vor Ort verhindert.» Und erst kürzlich habe das Luzerner Kantonsgericht ein Kraftwerkprojekt an der «unvergleichlichen» Lammschlucht gestoppt, durch die die Waldemme fliesst. «Das gelang nur, weil sich der lokale Riverwatcher des WWF entschlossen gegen das geplante Kraftwerk stellte und der Dachverband mit Expertenwissen und juristischer Hilfe zur Seite stand.»

Das Beispiel veranschaulicht auch, wo die Grenzen der lokalen Vereine liegen. Bei gros­sen, komplexen Projekten braucht es die Zusammenarbeit mit bezahlten Profis – egal ob es um rechtliche Auseinandersetzungen geht oder um die Ausdolung und Renaturierung eines Baches. Zudem ist der Druck auf die Natur heute riesig: «Die Flächen, in denen die Natur Vorrang haben darf, sind im Vergleich zu den vom Menschen genutzten Flächen klein», sagt Stefan Bachmann von BirdLife Schweiz.

Kommt hinzu, dass die Natur von der Politik oft recht stiefmütterlich behandelt wird. Selbst viele Lebensräume von nationaler Bedeutung würden in den Händen von Freiwilligen liegen, sagt Rico Kessler von Pro Natura. «Bund und Kantone kommen hier ihren gesetzlichen Aufgaben oft nicht nach.» Gerade deshalb ist bei den Umweltorganisationen jede helfende Hand willkommen. Mitmachen könne jeder, sagt Kessler. «Es braucht nichts ausser Neugier, Tatkraft und etwas Zeit.»