Für den Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten werden seit den 1960er-Jahren Rote Listen erstellt. Viel schlechter erforscht als der Gefährdungsstatus einzelner Arten ist allerdings die Situation ganzer Lebensräume, erklärte Franz Essl von der Universität Wien, der zu dem 300 Wissenschaftler umfassenden Autorenteam der Studie gehörte. Dabei würden diese Habitate das ökologische Rückgrat der biologischen Vielfalt darstellen.

Die Wissenschaftler haben in 35 Ländern – die 28 EU-Länder plus Schweiz, Island, Norwegen und die Balkan-Länder –  den Zustand von 490 verschiedenen Habitaten – einerseits marine, andererseits terrestrische und Süsswasser-Lebensräume – erhoben. Angelehnt an die Kategorien der Roten Listen gefährdeter Arten wurden diese dann in verschiedene Gefährdungsstufen eingeteilt.

Jeder vierte Lebensraum gefährdet  
Von 233 erfassten Land- und Süsswasser-Habitaten wurden 31 Prozent als gefährdet eingestuft (nur EU-Länder: 36 Prozent). Knapp zwei Prozent gelten als «von völliger Vernichtung bedroht», zehn Prozent als «stark gefährdet» und 20 Prozent als «gefährdet».

Von den 257 erfassten marinen Lebensräumen gelten 18 Prozent (nur EU-Länder: 19 Prozent) als gefährdet, rund ein Prozent dabei als «von völliger Vernichtung bedroht», sieben Prozent als «stark gefährdet» und zehn Prozent als «gefährdet». Über beide Kategorien gerechnet ist damit in Summe fast jeder vierte Lebensraum in den 35 untersuchten europäischen Ländern gefährdet.

Als besonders dramatisch zeigte sich dabei die Situation verschiedener Typen von Wiesen sowie von Seen-, Fluss- und Küstenlebensräumen, von denen jeweils jeder zweite Lebensraumtyp bedroht ist. Am grössten ist die Gefährdung von Mooren, von denen 85 Prozent in einer der drei Gefährdungskategorien der Roten Liste angeführt sind.

Artenreiche Wiesen verschwinden  
Der intensive Nutzungsdruck führe laut Essl zu einer starken Gefährdung vieler Lebensräume. «Man sieht deutlich, dass Lebensräume, die von traditioneller, sprich extensiver landwirtschaftlicher Nutzung geprägt sind, besonders stark bedroht sind – stärker als viele naturnahe Lebensräume», sagte der Forscher gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Als konkrete Beispiele nannte er Wiesentypen wie Magerwiesen, Feuchtwiesen oder Trockenrasen.

Hauptgrund für die starke Gefährdung dieser Habitate sei, «dass die traditionelle landwirtschaftliche Nutzung in Mitteleuropa mit dem massiven landwirtschaftlichen Strukturwandel seit dem Zweiten Weltkrieg kaum mehr in dieser Weise erfolgt oder möglich ist».

So basiere etwa die heutige Grünland-Landwirtschaft meist auf starker Düngung mit bis zu fünf Schnitten pro Jahr. «Damit kommen nur ganz wenige Pflanzenarten zurecht, statt artenreicher Blumenwiesen gibt es daher produktive, aber artenarme grüne Grasäcker», so der Biodiversitätsforscher.

Naturschutz fördern  
Als Konsequenz aus der Studie fordern die Wissenschaftler, den Schutz von Lebensräumen in Europa zu verstärken. So müsse das europäische Schutznetzwerk Natura 2000, das auch viele bedrohte Kulturlandschaften erfasse, «strikter umgesetzt werden, um den weiteren Rückgang artenreicher Lebensräume zu verhindern», erklärte Essl.

Auch in der Landwirtschaftspolitik sollten noch stärker als bisher Naturschutzaufgaben berücksichtigt und «Förderinstrumente so ausgebaut werden, dass sich naturschutzkonforme Bewirtschaftung lohnt», sagte der Forscher.