Forschenden zufolge werden die Flammen noch monatelang Nahrung finden. «Australien steht an einem Wendepunkt», liess sich Dale Dominey-Howes, Katastrophen- und Feuerforscher an der Universität Sydney, in «Zeit Online» anfangs Januar zitieren. «Was wir gerade beobachten, hat mit dem Normalzustand nichts mehr zu tun. Es ist ein Vorgeschmack auf das, was Australien in Zukunft erwartet», fügte er hinzu.

Gedanken über die Lage macht sich auch Robert Zingg, Kurator des Zoos Zürich und Biologe. Alleine im letzten Jahr war er zweimal in Australien und kennt Land, Fauna und Flora bestens. Dass es im Busch zu Bränden komme, sei nichts Aussergewöhnliches, sagt er. Sie folgten einer natürlichen Kadenz: alle etwa zehn bis zwanzig Jahre komme es zu grösseren Ereignissen. Früher hätten zudem die Menschen Brände gelegt, um die Fruchtbarkeit der Gebiete anzukurbeln.

Diesmal ist alles anders
Doch diesmal ist laut Zingg alles anders. Das zeige sich nicht zuletzt in der Intensität der weltweiten Presseberichterstattung und in den Meldungen über die rund eine Milliarde Tiere, die in den riesigen Buschfeuern bisher umgekommen sind. «Die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt sind massiv. Kleine, lokale Feuer erlauben es den Tieren, auszuweichen. Oder sie graben sich in der Erde ein, wie die Ameisenigel, bis alles vorbei ist», weiss der Biologe.

Das sei jetzt jedoch oft nicht mehr möglich. Die riesigen Flammenherde erhitzen die Böden viel stärker, was den Organismen kein Überleben ermöglicht. Und da Flammen ganze Gebiete einschliessen, sei auch an der Oberfläche das Entkommen mitunter unmöglich.

Die Besten Chancen räumt Zingg da noch denjenigen ein, die schnell und mobil sind, den Wallabys und Kängurus etwa. Bei den Koalas indes sieht es dramatischer aus: 40'000 leben gemäss Angaben verschiedener Quellen auf dem Festland, und nochmals so viele dürften es auf den Inseln sein. Doch die Population wurde wohl empfindlich getroffen. Nachdem ganze Eukalyptuswälder, die Nahrungsquelle der Koalas, verbrannt sind, verhungerten zahlreiche Tiere. Wieviele zudem in den Flammen verendet sind, weiss Zingg nicht. Zahlen gibt es noch keine.

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Partner-Park des Zoos Zürich bisher von den Feuern verschont
Immerhin, der Australian Reptile Park am Rande Sydneys, mit dem der Zoo Zürich eine Partnerschaft pflegt, ist von den Feuern nicht bedroht. Bisher jedenfalls nicht. Laut Zingg würden die Flammen in 60 Kilometern Entfernung wüten. Ziel des Parks ist es, Zuchtpopulationen zu etablieren. Dazu wurde auch ein Reservat für Arten errichtet, die von invasiven Arten bedrängt werden. Katzen, Füchse oder Wildschweine, die in Australien nicht heimisch sind und eine Gefahr für die ansässige Tierwelt darstellen, sollen aus einem 2000 Hektaren grossen Freigehege ferngehalten werden. Natürlich hoffe man, dass die Brände dieses Gebiet verschonen, sagt Zingg.

Als Biologe betrachtet er die verheerenden Brände auch aus wissenschaftlicher Sicht. «Bei aller Tragik, es ist interessant zu sehen, wie die Natur mit dem Ereignis umgeht», sagt er. Kaum zuvor habe man in einem vergleichbar gigantischen Ausmass beobachten können, wie sich das Ökosystem nach solchen Bränden weiter entwickelt. Dass es kippt, glaubt der Biologe nicht. Denn es sei sich eine grosse Elastizität gewohnt. «Allerdings gehe ich davon aus, dass das Alte verschwindet und etwas Neues entsteht, ein neuer Lebensraum. Einer mit neuen Pflanzen und Tieren.» Wie er aussehen wird, stehe aber noch in den Sternen.

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Einzelne Tierarten nur noch im Zoo?
Dass man einzelne Tierarten, die bisher in Australien heimisch waren, in Zukunft nur noch im Zoo sehen werde, ist für Zingg (Bild) denkbar. «Es gibt lokale Arten, die nur in eng beschränkten geografischen Räumen existieren. Wenn deren Habitat niederbrennt, hat das womöglich deren Auslöschung zur Folge», erklärt der Kurator. Da seien die Zuchtprogramme der Zoos mitunter die letzten Orte, an denen die Arten existierten. Allerdings müsse man beachten, dass längst nicht alle in Zuchtprogramme aufgenommen wurden, wie die Schnabeltiere Australiens (Ornithorhynchus anatinus).

Bis sich ein neuer Lebensraum etabliert, müssen erst mal die Feuer erlöschen. So schnell wird das nicht gehen. Im Gegenteil, die Flammen scheinen immer höher zu lodern. Immerhin gelang es der Feuerwehr am Wochenende, den grössten Brand unter Kontrolle zu bringen.