Der Homo luzonesis habe vor rund 50'000 Jahren auf der philippinischen Insel Luzon gelebt, nach der er benannt wurde. Die Entdeckung untermauert die Theorie, wonach die menschliche Entwicklung nicht wie früher angenommen linear verlief. «Der bemerkenswerte Fund wird zweifellos zahlreiche wissenschaftliche Diskussionen entfachen», sagte Matthew Tocheri, Anthropologe an der kanadischen Lakehead University.    

Lange Zeit ging die Wissenschaft davon aus, dass der Homo erectus vor 1,5 bis zwei Millionen Jahren aus Afrika auswanderte, während andere frühe Menschenarten wie der Homo habilis auf dem Kontinent blieben und schliesslich ausstarben. Diese Theorie ist bekannt als «Out of Africa I». Allerdings wanderten nicht alle Homo erectus aus. Ein Teil von ihnen blieb in Afrika und entwickelte sich dort vor 300'000 bis 200'000 Jahren zum modernen Menschen, dem Homo sapiens. In «Out of Africa II» wanderte auch dieser aus und verdrängte den Homo erectus und andere aus ihm hervorgegangene Menschenarten wie den Neandertaler aus dem Rest der Welt. Die «Out of Africa»-Hypothesen gelten als das Fundament der menschlichen Evolutionsgeschichte.    

Wegen Funden aus jüngster Zeit beginnt dieses Fundament nun aber zu bröckeln. Immer mehr Anthropologen glauben, dass im frühen Pleistozän (vor 2,58 bis 0,78 Millionen Jahren) neben dem Homo erectus auch andere Menschenarten aus Afrika ausgewandert sein könnten. Eine von ihnen könnte könnte der Vorfahre des neu entdeckten Homo luzonensis gewesen sein.

Zähne und Knochen  
Französische, philippinische und australische Forscher stiessen in der Cavo-Höhle auf die Überreste des Homo luzonensis. 2007 war dort bereits ein 67'000 Jahre alter Knochen entdeckt worden. Doch zunächst war nicht klar, welcher Spezies der Knochen zuzuordnen war. Nun entdeckten die Forscher sieben Zähne und fünf verschiedene Knochen von mindestens drei Individuen, die zwischen 50'000 und 67'000 Jahre alt sind.    

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«Uns fiel sofort ihre ungewöhnliche Charakteristik auf», sagte Florent Detroit, Paläoanthropologe im französischen Musée de l'Homme und einer der Leiter der Studie. Vergleiche und Analysen hätten dann bestätigt, dass es sich um eine völlig neue Art aus dem Stammbaum der Menschen (Hominini) handle.  

Die Zähne wiesen demnach Merkmale verschiedener früher Menschengattungen auf. Ein Fussknochen des Homo luzonensis ähnelte dem von Australopithecus, einer Gattung, die zwei bis drei Millionen Jahre zuvor in Afrika lebte und aus der vor etwa zwei Millionen Jahren auch die Gattung Homo hervorging.

Viel geklettert und aufrechter Gang  
Wie bei Australopithecus seien Finger- und Zehenknochen des Homo luzonensis stark gekrümmt gewesen. Den Forschern zufolge ein Hinweis darauf, dass er viel kletterte, wie es vor allem Arten taten, die deutlich früher lebten. Die Anthropologen glauben aber nicht, dass der Homo luzonensis in Bäumen lebte. Sie gehen davon aus, dass er aufrecht ging.    

Wie der Homo luzonensis auf die Insel gelangte, ist unklar. Dafür hätte er Forschern zufolge eine «erhebliche Strecke» auf dem Meer zurücklegen müssen. Auch wer seine Vorfahren waren, muss noch erforscht werden. Versuche, den Knochen DNA zu entnehmen, misslangen bisher.    

2004 waren auf der indonesischen Insel Flores die Knochen des Homo floresiensis ausgegraben worden – wegen seiner Grösse später «Hobbit» genannt. Auch bei ihm ist man sich mittlerweile nicht mehr sicher, ob er von Homo erectus oder vielleicht doch von einer anderen Menschenart abstammt, die schon vor Homo erectus aus Afrika ausgewandert war. Forscher gehen davon aus, dass die Hobbits auf Flores vom Rest der Welt abgeschnitten waren und eine tausende von Jahren währende Schrumpfung durchlebten.    

Ihre Grösse passte sich der Verfügbarkeit von Nahrung auf der Insel an. Auch der Homo luzonensis sei nur etwa vier Fuss (etwa 120 Zentimeter) gross gewesen, schreiben die Forscher am Donnerstag in «Nature». Wie es in einer Medienmitteilung der Fachzeitschrift heisst, unterstreichen die Funde die Wichtigkeit der südostasiatischen Inseln in der Evolution der Gattung Homo.