Es steckt in der Margarine, in der Schokolade, in Fertigpizzas und Wurstwaren ebenso wie in Kosmetikprodukten wie Sonnencreme oder Shampoo: Das aus den Früchten der Ölpalme Elaeis guineensis gewonnene Öl steckt laut Schätzungen des WWF in rund fünfzig Prozent aller Produkte in unseren Supermärkten. Doch in den letzten Jahren ist es zunehmend in Verruf geraten, denn insbesondere in Südostasien hat die Ausdehnung von Palmölplantagen zur Abholzung grosser Flächen von Regenwald geführt. «Das ist eine unbestreitbare Wahrheit und für Biodiversität und Klima ein grosses Problem», sagt Jaboury Ghazoul, Professor für Ökosystemmanagement an der ETH Zürich. «Palmöl ist aber nicht nur schlecht.»

Ölpalmen sind sehr produktiv: Laut einem Bericht der Weltnaturschutzunion IUCN, der im letzten Juni erschienen ist, liefern sie 35 Prozent des weltweit produzierten Pflanzenöls – und dies, obschon sie nur zehn Prozent Fläche einnehmen, die zur Produktion von Pflanzenöl benötigt wird. Um eine Tonne Palmöl zu produzieren, braucht es demnach 0,26 Hektar Land, für die gleiche Menge Rapsöl sind 1,25 Hektar nötig, für Sonnenblumenöl 1,43 Hektar und für Sojaöl sogar zwei Hek­tar. 

Konfliktparteien am Spieltisch
«Solange unsere Nachfrage nach pflanzlichen Ölen so hoch ist, macht es keinen Sinn, Palmöl zu verbieten», sagt Ghazoul. «Es könnte sogar kontraproduktiv sein, wenn stattdessen vermehrt Soja angebaut wird.» Im Vergleich zu Soja brauche der Anbau von Ölpalmen auch weniger Pestizide und Dünger. Und man dürfe nicht vergessen, dass Palmöl das Leben vieler armer Kleinbauern in den Tropen massiv verbessere. «Palmöl einfach zu verteufeln, ist keine Lösung. Wir müssen vielmehr herausfinden, wie wir es in Zukunft nachhaltiger produzieren können.»

Und Palmöl ist nicht gleich Palmöl. Während etwa auf der Insel Borneo 50 Prozent der Regenwaldabholzung im Zeitraum von 2005 bis 2015 aufs Konto von Palmöl gehen, sieht die Situation in Zentralamerika und Westafrika anders aus: Palmöl ist dort laut IUCN nur für zwei bis drei Prozent des Waldverlustes von 1972 bis 2015 verantwortlich. In Kolumbien etwa wurde bisher ein Grossteil der Plantagen auf ehemaligen Weide- oder Ackerflächen angelegt, die unproduktiv geworden waren.

Die lokalen Realitäten der Palmölproduktion erforschen Ghazoul und ein Team von Forschenden im Projekt «Oil Palm Adaptive Landscapes» (Opal), das auch vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wird. Im März 2015 angelaufen, ist es für sechs Jahre finanziert und fokussiert auf Indonesien, Kolumbien und Kamerun. Indonesien, weil es der weltweit grösste Produzent ist – 85 Prozent des Palmöls kommen aus Indonesien und Malaysia. Kolumbien ist der grösste Produzent Südamerikas und der viertgrösste weltweit, Kamerun der grösste Produzent Afrikas und eines der Länder, in denen die Palmölproduktion derzeit sehr stark zunimmt.

Herzstück des Opal-Projektes ist ein Brettspiel, das alle wichtigen Aspekte der Palmölproduktion beinhaltet. In Workshops bringen die Forschenden jeweils Manager von Palmölplantagen, Politiker von nationaler und Gemeindeebene, lokale Bauern, NGO-Vertreter und weitere Akteure an einen Tisch, um im gemeinsamen Spiel die Prozesse rund um den Rohstoff zu verstehen. «Das Thema ist so konfliktgeladen, dass die Betroffenen einander normalerweise gar nicht zuhören, wenn sie aufeinandertreffen. Im Spiel sind sie viel offener, einander zuzuhören. Sie haben Spass, und danach kann man über das Spielszenario diskutieren und Dinge fragen wie: Warum hast du hier Palmöl angebaut und dieses Waldstück erhalten?», sagt Ghazoul. «Auf diese Weise können die Beteiligten auch sehr heikle Themen in einer viel freundlicheren Atmosphäre diskutieren und ein gewisses Vertrauen aufbauen.» 

Den Forschenden helfen das Spiel und die Diskussionen darüber, die lokalen Realitäten der Palmöl-Produktion und die Interessen der zentralen Akteure besser zu verstehen. Entsprechend wird das Spiel dann auch angepasst. Für die drei Länder sind mittlerweile vier unterschiedliche Versionen des Spiels entwickelt worden und im Einsatz.

In Indonesien gibt es laut Ghazoul ein massives Problem bei der Umsetzung beschlossener Regulierungsmassnahmen. Die Regierung wisse theoretisch schon, wie man Palmöl nachhaltig produzieren könnte. So sollen etwa kleine Landbesitzer ermutigt werden, auf ihrem Land auch Palmöl anzubauen, damit nicht neue Waldflächen gerodet werden müssen. In der Praxis laufe es aber oft darauf hinaus, dass Kleinbauern gratis Palmensamen verteilt bekämen, jedoch keine weitere Information dazu erhalten, was die nachhaltige Produktion, den Dünger oder die Zertifizierung betrifft.

Hausgemachte Ineffizienz
In Kamerun, wo vorwiegend Kleinbauern die Palmen pflanzen und das Öl wichtiger Bestandteil der lokalen Küche ist, haben die Regierung und ausländische Investoren in den letzten Jahren viel Geld in moderne Mühlen investiert. Doch die meisten Bauern bringen die geernteten Palmfrüchte noch immer in die Dorfmühlen, die viel weniger Öl daraus pressen können. Grund dafür ist, dass die Bauern in der Regel keine Autos besitzen und somit zusätzliche Transportkosten anfallen, wenn sie ihre Ernte zu einer effizienten Mühle bringen. Zudem bekommen sie in den Dorfmühlen die Bezahlung gleich bar auf die Hand, bei den grossen Mahlwerken erfolgt sie zeitverzögert. 

«Eigentlich könnte Kamerun seinen Eigenbedarf an Palmöl problemlos decken, aber wegen dieser ineffizienten Produktion muss es den Rohstoff aus Indonesien und Malaysia importieren. Diese Zusammenhänge waren den Regierungsbeamten vor Beginn unseres Projektes nicht klar», sagt Ghazoul.

Ziel müsste es seiner Ansicht nach sein, Palmöl künftig möglichst nicht auf wertvollen Waldflächen anzubauen. Doch das könne man den entsprechenden Ländern nicht von aussen aufzwingen. «Als Biologe möchte ich natürlich den Wald und die Biodiversität erhalten. Aber um das zu erreichen, müssen wir die Leute mit an Bord holen, die in diesen Landschaften leben.» Darüber hinaus müssten die Konsumenten den Produzenten und den Verteilern klarmachen, auf nachhaltig produziertes Palmöl zu bestehen.