Im Mittelland wird auf den Äckern vornehmlich Gemüse und Getreide angebaut, das Berggebiet setzt hingegen auf die Milchwirtschaft. Doch so, wie die Schweizer Landwirtschaft heute funktioniert, war es nicht immer. Noch vor wenigen Jahrzehnten pflegten auch Landwirte in höheren Lagen vor allem zur Selbstversorgung ihren Gemüsegarten oder ernteten Getreide. Doch bis ein Acker urbar war, mussten unzählige Steine in mühseliger Handarbeit aus der mageren Krume gelesen werden. Ein Teil davon wurde  gleich an Ort und Stelle zu mörtelfreien Mauern verarbeitet, die die häufig terrassiert angelegten Äcker stützten. Der Rest landete auf Steinhaufen, die oft zu 20 bis 30 Quadratmeter grossen Flächen heranwuchsen und sich selbst überlassen blieben.

Heute sind diese Natursteinmauern und Steinhaufen typische Elemente in der alpinen Kulturlandschaft. Doch die Steinstützen zerfallen, während die Steinhaufen im Weg sind, wenn Betriebe zusammengelegt werden, damit die Flächen einfacher und möglichst maschinell bewirtschaftet werden können. Damit diese und andere Merkmale der Kulturlandschaft nicht verschwinden, startete das Bundesamt für Landwirtschaft ein Instrument mit dem Namen Landschaftsqualitätsbeiträge (LQB). Diese wurden erstmals 2014 ausbezahlt, die erste Staffel ist auf eine Dauer von acht Jahren angelegt (siehe Box).

142 Millionen für Postkartenschweiz
Kastanienselven in der Südschweiz, Suonen im Wallis oder Bergackerbau und andere regionale und landschaftliche Kulturwerte können seit 2014 für Landschaftsqualitätsbeiträge (LQB) angemeldet werden. Damit werden Landwirte motiviert, bedrohte Landschaftselemente zu erhalten, zu pflegen oder neu anzulegen. Jährlich 142 Millionen Franken an Bundesgeldern sind in der achtjährigen Projektphase von 2014 bis 2021 für LQB eingestellt. Geplant ist, 2022 eine zweite Staffel auszuschreiben.

97 Prozent Beteiligung im Bünderland
Gesamtschweizerisch beteiligen sich drei von vier Bäuerinnen und Bauern am Programm und erhalten dadurch LQB. Das grosse Interesse gründet dabei nicht allein im finanziellen Zustupf, sondern hat auch damit zu tun, dass sich auf praktisch jedem Betrieb Elemente finden, die zur Landschaftsqualität beitragen. So zählen etwa die Aufwertung von Waldrändern, die Entbuschung von Weiden, das Stehenlassen von markanten Einzelbäumen oder das Aufrechterhalten des alpinen Ackerbaus zu jenen Massnahmen, die zu Beiträgen berechtigen.

Besonders systematisch organisierte sich der Kanton Graubünden, um seinen Bauern den Zugang zum neuen Förderinstrument zu ermöglichen. Heute machen 97 Prozent der Betriebe bei den LQB mit. Der wichtige Landwirtschaftskanton, der gleichzeitig stark auf den Tourismus setzt und deshalb auf eine attraktive Kulturlandschaft angewiesen ist, wurde in 17 Regionen aufgeteilt. «In jedem dieser Gebiete wurden spezifische landschaftliche Elemente definiert, die dank den Bauern erhalten, wiederbelebt oder neu angelegt werden können», sagt Regula Ott, Projekt­leiterin Natur und Landschaft im Parc Ela, dem grössten Naturpark der Schweiz. In allen 17 Regionen sorgte eine Projektgruppe – bestehend aus dem lokalen Bauernverein, der landwirtschaftlichen Beratung, dem Forstbereich und der Fachperson eines Umwelt­büros – dafür, dass die örtlichen Landschaftsobjekte Eingang in den Katalog fanden. 

«Im Fall des Projekts Albulatal war auch der Parc Ela mit von der Partie, da wir uns schon früher an Projekten im Rahmen der ökologischen Vernetzung engagierten», sagt Ott. Am Ende war der Kanton in Absprache mit dem Bund auf die Harmonisierung der Massnahmen und der dafür entrichteten Beiträge bedacht. Der Parc Ela bleibt weiterhin in die Umsetzung der verschiedenen Massnahmen eingebunden. So organisierte Ott mit dem örtlichen Bauernverein Weiterbildungsanlässe für die Landwirte: Jene Bauern, die LQB beziehen, müssen während der Projektphase eine Schulung in Landschaftsschutz absolvieren. Daneben organisiert der Parc Ela Arbeitseinsätze von Schulklassen oder Zivildienstleistenden, die bei der Umsetzung der Massnahmen mithelfen.

Von Schlingnatter bis Neuntöter
Wie das Projekt Albulatal zeigt, werten die meisten der Massnahmen nicht nur die Landschaft auf, sondern helfen auch der Fauna. Die eingangs erwähnten Trockenmauern und Steinhaufen sind ein wichtiger Lebensraum von Zauneidechse und Schlingnatter. «Während die Zauneidechse auch im Mittelland häufig vorkommt, ist die Schlingnatter in tiefen und intensiv bewirtschafteten Lagen stark unter Druck und kommt nur noch in den Voralpen und Alpen verbreitet vor», sagt Uwe Sailer, der das Projekt vonseiten des Büros Quadra in Zürich fachlich betreut.

Ökologisch wertvoll sind auch Wildhecken, die alle paar Jahre kräftig zurückgeschnitten werden, damit das Kulturland nicht verbuscht. «Ohne Pflege schiesst der Hasel ins Kraut und junge Pappeln wachsen schnell in die Höhe», erklärt Sailer. Einzelne Altbäume sind in der Hecke aber wertvoll. In ihren Baumhöhlen lassen sich Spechtarten wie der Wendehals nieder. 

Werden schnellwüchsige Arten, etwa Hasel, auf den Stock geschnitten, gedeihen Dornsträucher besser, sagt Sailer: «Schwarzdorn, Kreuzdorn und Hagebutte sind wichtige Futterpflanzen für Baumweissling und andere Falter.» Besonders anspruchsvoll ist etwa der Kreuzdorn-Zipfelfalter. Seine Raupen benötigen die Blätter des Kreuzdorns, während das adulte Tier denselben Strauch als Nektarpflanze besucht. Neben Insekten profitieren Vögel von solchen Hecken. Der selten gewordene Neuntöter beispielsweise benötigt Dornhecken, um erlegte Käfer, Grillen oder kleine Mäuse aufzuspies­sen. 

Entbuschen schützt Trockenstandorte
Einen reichhaltigen Speisezettel bieten artenreiche Trockenwiesen. Auch diese benötigen eine regelmässige Pflege, denn sonst holt sich der Wald nach wenigen Jahrzehnten sein Territorium zurück. Gerade schlecht erschlossene Parzellen an steilen Hängen werden aber häufig sich selbst überlassen. «Geht man gegen das Verbuschen vor, bleiben wertvolle und zunehmend rare Trockenstandorte erhalten», erklärt Sailer. Dort tummeln sich Baumweisslinge, Ödlandschrecken, die Rotgeflügelte Schnarrschrecke oder der Bläuling. Bleiben zudem auf Maiensässen markante Einzelbäume oder auch Holzzäune stehen, ergibt das nicht nur hübsche Fotosujets für Touristen, sondern lockt auch Wiesenbrüter wie den Baumpieper an. 

Der wissenschaftliche Nachweis, dass LQB neben einem Plus für die Landschaft auch die Biodiversität stärken, fehlt – und ist auch nicht geplant, da das Instrument an erster Stelle auf die Landschaftsqualität abzielt. Doch der durchaus erwünschte Nutzen für die Fauna liegt auf der Hand. Und das Instrument beeinflusst neben den direkten Massnahmen auch andere Bereiche, erklärt Daniel Ulber, der als Präsident des Bauernvereins Albula in der Projektgruppe Einsitz hatte.

Er selbst setzt auf Milchproduktion und baut auf 1300 Meter über Meer Gerste an, die er seinen Kühen verfüttert und an eine Brauerei in Appenzell verkauft: «Die Erarbeitung des Massnahmenkatalogs durch die Projektgruppe und das Ökobüro war aufwendig. Doch heute fördern die Massnahmen und die Schulung das Bewusstsein, wie wichtig die Pflege von Hecken oder Pufferstreifen an Ackerrändern ist.»