Schweizer Spargel schlummert in diesem Jahr länger als üblich im Boden. Zwei bis drei Wochen mehr dürften es als Folge der ungewohnten Frühlingskälte sein. Zu einer Vorpremiere kommt es aber in Diepoldsau im St. Galler Rheintal, wo Stefan Britschgi vom Fahrmaadhof bereits stolz die erste Kiste mit frischgestochenem Spargel präsentiert. Vermutlich ist es der erste im ganzen Land.

Beide Unternehmen profitieren
Wie ist das möglich? Dank der Abwärme einer Kunststofffabrik, die gleich neben einem seiner Spargelfelder steht. Die Rohre mit dem rund 30 Grad warmen Wasser machen eine Zusatzschleife von der Fabrik durch die Erddämme und wieder zurück. Die im Erdreich abgegebene Wärme beschleunigt das Spargel-Wachstum und kühlt dabei das Prozesswasser der Fabrik ab. «Wir helfen der Fabrik auf diesem Weg beim Herunterkühlen ihrer Betriebstemperaturen, wofür sie sonst zusätzliche Energie benötigen würde», sagt Britschgi. So profitieren beide Unternehmen und die Umwelt. Und nicht nur sie: Vor allem die Gastronomen in der Region könnten es kaum erwarten, den ersten Spargel vom Fahrmaadhof auf ihre Menükarte aufzunehmen, sagt Britschgi.

Frische ist entscheidend
Die ganze Schweiz scheint in dieser Zeit nur auf den heimischen Spargel zu warten, obwohl er doppelt so teuer ist wie Importspargel. Weshalb dieser Hype? «Die Frische ist sicher ein wichtiger Grund für den Erfolg», sagt Britschgi. Entscheidend sei, dass der Spargel so schnell wie möglich nach der Ernte auf null Grad heruntergekühlt werde. Bei ihm erledigt das die spezielle Eiswasserdusche. «Sie ist auf unserem Betrieb absolut zentral». So könne der Spargel auch drei bis vier Tage gelagert werden. Was bei ihm aber nicht oft vorkommt, weil seine Ware in der Regel innerhalb von einem Tag ausgeliefert wird.

60 Prozent liefert Britschgi an den Detailhandel, den Rest verkauft er an Gastrobetriebe, befreundete Direktvermarkter und im eigenen Hofladen in Diepoldsau. «Es gibt Leute, die dort während der Saison jeden Tag frischen Spargel kaufen», weiss der Gemüsebauer.

Anspruchsvolle Ernte
Der Fahrmaadhof gehört mit 15 Hektaren Bleichspargeln zu den grösseren Spargelanbaubetrieben in der Schweiz. Die rund 200 Produzenten in der Schweiz bauen auf über 300 Hektaren Spargeln an. Auf einer Hektare können bis zu zehn Tonnen Spargel geerntet werden. Davon fällt allerdings bis zur Hälfte des Gewichtes noch weg, wenn der Spargel bis zur Verkaufsfähigkeit gerüstet wird. «Direktvermarkter holen hier etwas mehr heraus, weil ihre Kundschaft weniger auf die Form und Grösse achtet als die Einkäufer im Detailhandel», sagt Britschgi.

In den letzten Jahren hat die Anbaufläche in der Schweiz sprunghaft zugenommen. Häufiger als Bleich- wird Grünspargel angebaut. Ersterer wird im Boden gestochen, der andere kurz über dem Boden abgeschnitten. Bleich heisst er deshalb, weil er im Boden ohne Licht kein Blattgrün bilden kann und deshalb weiss bleibt.

Seine Ernte ist anspruchsvoll: «Der Umgang mit dem speziellen Stechmesser muss geübt sein», sagt Britschgi. Wenn ein neuer Mitarbeiter anfange, dann werde er in der Anfangsphase deshalb intensiv betreut. Rund dreissig zusätzliche Erntehelfer aus der Region arbeiten während der Spargelsaison auf dem Betrieb. Und das neben dem eigentlichen Stammpersonal – Britschgi baut ja nicht nur Spargeln an, sondern auch Erdbeeren, Bohnen, Kartoffeln, Karotten, Spinat und andere Kulturen.

Ein aufwändiges Gemüse
In den letzten Jahren ist der Spargel zum Aushängeschild der hiesigen Gemüsebranche geworden. Der Spargel-Anbau ist aber relativ aufwändig. Darin liegt vermutlich der Grund, dass nicht mehr Bauern ins vermeintlich lukrative Geschäft einsteigen. Es brauche spezielle Maschinen, Verarbeitungsräume und vor allem viel Personal, sagt Britschgi.

Wenn es nun wieder losgeht mit der Ernte, wird der Fahrmaadhof einmal mehr zum regionalen Spargelmekka. Fast täglich sind Besuchergruppen zu Gast, denen hier vor Ort gezeigt wird, wie viel es braucht, bis Spargeln verkaufsbereit den Hof verlassen. Auch das eigene Spargelstechen gehört zum Programm. Britschgi sensibilisiert seine Kundschaft so für die einheimische Produktion: «Die Leute verstehen nachher besser, weshalb der Spargel zu den eher teureren Gemüsen gehört.»

 

Spargel (Asparagus officinalis)
Die Staude stammt ursprünglich aus Vorderasien und wurde bereits von den alten Ägyptern, Griechen und Römern als Delikatesse und Heilpflanze angebaut. Spargel bildet ein Wurzelgeflecht, das mehr als zwei Meter in die Tiefe wächst. Schwefelhaltige ätherische Öle, Asparaginsäure und andere Substanzen verleihen dem Spargel seinen typischen Geschmack. Die vitaminreiche Pflanze regt die Nieren und Blasentätigkeit an. Spargel enthält zudem viele Mineralstoffe und wenig Kalorien und gilt deshalb als Schlankmacher. Der typische Geruch im Urin ist genetisch bedingt und tritt nur bei knapp der Hälfte der Menschen auf.