Zu den negativen Punkten in der Vorlage des Bundesrates zählt die Kommissionsmehrheit unter anderem «zusätzliche und höhere Auflagen für die Landwirtschaft, geringere Direktzahlungen, Preisverluste, Einkommensrückgang, und Rückgang des Selbstversorgungsgrades», wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. Mit 6 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung stimmte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates (WAK-S) deshalb einem Antrag zu, der verlangt, dass der Ständerat die Behandlung der drei Erlassentwürfe der AP22+ sistiert – namentlich das Landwirtschaftsgesetz, das Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht und das Tierseuchengesetz.

Beraten soll der Rat lediglich die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft in den Jahren 2022 bis 2025. Die Behandlung der Botschaft zur AP 22+ hingegen soll erst wieder aufgenommen werden, wenn der Bundesrat ihr Kommissionspostulat mit einem Bericht erfüllt habe. Mit diesem Postulat, das die Kommission ebenfalls mit 6 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung verabschiedete, beauftragt die WAK-S den Bundesrat, einen Bericht zu verfassen, der «einen ganzheitlichen Ansatz» in der Agrarpolitik verfolge. Dieser Bericht sollte spätestens 2022 vorliegen.

Minderheit und Umweltorganisationen empört
Für die Kommissionsminderheit kommt eine Sistierung nicht in Frage. Damit würde die Gelegenheit verpasst, die Landwirtschaft auf die internationalen Entwicklungen und ökologischen Herausforderungen der kommenden Jahre vorzubereiten.

Geradezu «entsetzt» auf den Entscheid reagierten die vier Umweltorganisationen Pro Natura, WWF Schweiz, BirdLife Schweiz und Greenpeace Schweiz. Sollte der Ständerat seiner Kommission folgen, wäre das «ein dramatischer Rückschlag für die Natur, aber auch für alle Bäuerinnen und Bauern, die schon heute mit der Natur statt gegen sie produzieren», heisst es in einer Mitteilung. Die Kommission trete sämtliche Umweltanliegen mit Füssen. Es drohe jahrelanger Stillstand.

Von den Umweltzielen des Bundes sei noch kein Einziges erreicht. Dieser Entscheid sei ein Sieg für die Agrarlobby – gerade jetzt, wo die vier Umweltorganisationen vor wenigen Tagen ihre Kampagne «Agrarlobby stoppen» lanciert haben («Tierwelt online» berichtete). Die Agrarlobby gebe vor, für Bauernfamilien einzustehen, dabei gehe es nur ums Business. Eine zukunftsgerichtete Agrarpolitik werde verhindert.

Die Agrarallianz indes, eine Vereinigung von 16 Organisationen aus den Bereichen Konsum, Umwelt- und Tierschutz sowie Landwirtschaft, schrieb in einem Communiqué, mit dem Entscheid der Ständeratskommission würden der Rückgang der Biodiversität und die Auswirkungen des Klimawandels auf Jahre hinaus ignoriert. Diese Verzögerung sei «inakzeptabel».

Der Schweizerische Bauernverband (SBV) hingegen sieht im Beschluss der WAK eine Chance, dass die Schweiz «endlich eine Diskussion über eine zukunftsgerichtete und kohärente Ernährungspolitik führt», anstatt seine Agrarpoltik nur auf die Landwirtschaftsbetriebe zu fokussieren.

Ständeratsentscheid erst im Dezember
Der Bundesrat hatte die Botschaft zur AP22+ im Februar dieses Jahres verabschiedet. Mit dem Massnahmenpaket sollen die Bauern ab 2022 zwar gleich viel Geld wie bisher erhalten, dafür aber mehr Auflagen erfüllen. Neue Vorschriften gäbe es unter anderem beim Umweltschutz. So enthält die Botschaft zur AP22+ auch Massnahmen als Alternative zur Trinkwasserinitiative.

Wegen der Corona-Krise wurden die Beratungen in der Kommission noch verzögert. Nach Angaben der Parlamentsdienste soll der Ständerat nun in der Wintersession über den Antrag auf Sistierung und das Kommissionspostulat entscheiden. Die Eintretensdebatte zum Bundesbeschluss über die finanziellen Mittel ist für die Sitzung vom 27. August geplant.