Der Klimawandel hat dem Gletschereis zugesetzt. Die Grünen wandern diese Woche zu den letzten Resten des Pizolgletschers. Vielleicht zum letzten Mal. 

Der Grosse Aletschgletscher im Süden der Berner Alpen ist der flächenmässig grösste und längste Gletscher der Alpen. Seine Länge beträgt 22,75 Kilometer, die Fläche wird mit 81,7 Quadratkilometern angegeben. Zum Vergleich: 1973 betrug die Fläche noch 86,6 Quadratkilometer. Auch die Dicke nimmt stetig ab: In den vergangenen zehn Jahren haben die Schweizer Gletscher einen Fünftel ihres Volumens verloren.

Vom Klimawandel besonders betroffen sind die fünf kleinen Ostschweizer Gletscher. Einer davon ist der Pizolgletscher. Er hat zwischen 1850 und 2010 bis zu 85 Prozent seiner Fläche eingebüsst. «Vielleicht ist 2019 die letzte Gelegenheit, noch etwas vom Gletschereis zu sehen», heisst es in einer Ankündigung der St. Galler Grünen.

Grosses Schmelzen der kleinen Gletscher  
Der Grüne Kantonsrat Meinrad Gschwend wandert am nächsten Sonntag mit Parteikollegen aus den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich zu den letzten Resten des Pizolgletschers. Dieser führe uns die Klimakrise vor der eigenen Haustür drastisch vor Augen, schreibt der SAC-Tourenleiter. «Er wird bald vollständig verschwunden sein.»

Der Pizolgletscher ist nach Norden exponiert und liegt mit 2630 bis 2780 Meter über Meer relativ tief. In den letzten 120 Jahren hat der Gletscher rund 400 Meter seiner Länge verloren und ist auf eine Fläche von 0,06 Quadratkilometer abgeschmolzen.

Das Schweizerische Gletschermessnetz (Glamos) dokumentiert und beobachtet systematisch die langfristigen Gletscherveränderungen in den Schweizer Alpen. «Der letzte Sommer hat dem Pizolgletscher extrem zugesetzt», sagt Glamos-Leiter Matthias Huss gegenüber Keystone-SDA. Er und sein Team beobachten den Gletscher seit 2006.

Toteis-Resten am Pizol  
Im Hitzesommer 2018 sei beim Pizolgletscher nicht nur eine Menge Eis geschmolzen, die Fläche sei richtiggehend in einzelne kleine Teile zerfallen. Dieser Prozess habe sich schon länger angekündigt. «Das Eis ist über Jahre hinweg immer dünner geworden, und immer mehr Felsinseln sind im Eis aufgetaucht», sagt der Gletscherforscher. Noch mehr Eis ging nur 2011 verloren, als zusätzlich zu einem heissen Sommer auch noch ein schneearmer Winter dazukam.

Der Pizolgletscher zählt zu den kleinsten im Land, zusammen mit den anderen vier Ostschweizern: dem Blauschnee am Säntis sowie dem Chli-, Sardona- und Glasergletscher im St. Galler Oberland. Um die Sommerschmelze zu kompensieren, sind sie auf regelmässigen Schneefall angewiesen.

Aktuell liegt am Pizol noch immer relativ viel Schnee. «Das haben wir dem schneereichen Winter und vor allem dem kühlen Mai zu verdanken», sagt Huss. Dass der Pizolgletscher in diesem Jahr ganz verschwindet, glaubt er nicht. Vom schönen Gletscher, der die ganze Flanke unter dem Gipfel einnahm, sei jedoch kaum noch etwas übrig. «Wollen wir einen Toteis-Rest, der unter Geröll und Schutt begraben ist, noch als Gletscher bezeichnen», fragt der Experte.

Bis 2050 verschwunden  
In der Schweiz gibt es etwa 700 Gletscher, die kleiner als 0,1 Quadratkilometer sind. Gemäss Berechnungen von Glamos werden diese Gletscher bis ins Jahr 2030 im Vergleich zu heute rund zwei Drittel des Eises verloren haben. Bis 2050 dürften fast alle kleinen Gletscher verschwunden und zu Stein- und Geröllwüsten verkommen sein.

Glamos nimmt jährlich an den Zungen von über hundert Gletschern Messungen vor. Dadurch ergibt sich ein Überblick über die langfristigen Veränderungen der Schweizer Gletscher. Gletscherveränderungen gelten als eines der besten Indizien, um Klimaschwankungen zu erkennen.

Gletscher werden als Wasserspeicher (Trinkwasser, Stromerzeugung) auch wirtschaftlich genutzt. Zudem wirkt sich der Rückgang des Gletschereises auch auf den Tourismus aus, und Naturgefahren im Gebirge (Eisabbrüche, Entleerung von Seen) stehen oft mit Gletschern im Zusammenhang.