Neben der Holzproduktion erbringen Wälder vielfältige Leistungen: Sie regulieren das Klima, speichern Kohlendioxid, bieten Lebensraum für Pflanzen und Tiere, schützen vor Naturgefahren und dienen als Erholungsraum, um nur einige zu nennen. Eine nachhaltige Bewirtschaftung, wie sie im Schweizer Waldgesetz verankert ist und vom Bundesrat in der Waldpolitik 2020 angestrebt wird, möchte all diese wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald bestmöglich aufeinander abstimmen.

«Bisher war jedoch unklar, was die Forstwirtschaft verbessern kann, damit Waldflächen möglichst viele ihrer Ökosystemleistungen gleichwertig und dauerhaft erbringen können», sagt Clemens Blattert von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im zürcherischen Birmensdorf. Denn zwischen einigen dieser Leistungen gibt es Zielkonflikte. Das heisst, je vielfältiger die Waldleistungen sein sollen, desto komplizierter wird es für die Forstbetriebe, waldbauliche Entscheidungen zu treffen und langfristig zu planen. Zudem fehlten bisher unterstützende Konzepte und Instrumente hierzu.

In einem aktuellen Forschungsprojekt hat die WSL ein Entscheidungssystem für eine multifunktionale Waldbewirtschaftung entwickelt. Dieses kann unter anderem auf Basis von Inventurdaten wie den vorhandenen Baumarten und den Stammdurchmessern die Entwicklung der Waldbestände eines Forstbetriebs unter unterschiedlichen Nutzungsstrategien simulieren. Anschliessend wird ermittelt, welche Strategie die Ökosystemleistungen am meisten fördert. 

«Kein perfekter Waldtyp»
Dieses neue Planungsinstrument wandten die WSL-Mitarbeiter exemplarisch für das Mittelland in einem Aargauer Forstbetrieb an. Im untersuchten Fallbeispiel war die kleinräumige Aufteilung des Waldes in verschiedene Bewirtschaftungszonen mit unterschiedlicher Nutzungsintensität besonders gut geeignet, um möglichst viele Ökosystemleistungen zu erbringen. «Ein solches Bewirtschaftungskonzept bietet einen Kompromiss, der die positiven Aspekte von Naturschutzstrategien mit denen für die Kohlenstoffspeicherung, die Holzproduktion und die Erholung verbindet», erklärt Blattert, der in der Forschungseinheit Waldressourcen und Waldmanagement tätig ist.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung der Universität Bern. Anhand von 150 Waldparzellen in drei deutschen Schutzgebieten, die der Biodiversitätsforschung dienen, untersuchte sie den Einfluss verschiedener Waldmerkmale auf eine breite Palette von Ökosystemleistungen. Die Studienergebnisse zeigen, dass Wälder mit alten Bäumen, zahlreichen Straucharten und einer vielfältigen Struktur mit Lichtungen am besten geeignet sind, um möglichst viele verschiedene Leistungen zu erbringen. Diese Waldmerkmale lassen sich innerhalb der verschiedenen Bewirtschaftungsregime jedoch nicht alle gleichzeitig finden. 

«Es gibt keinen Waldtyp, der alle Ökosystemleistungen erbringen kann», betont Markus Fischer, Professor am Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern. «Daher sollten wir ein Waldmanagement anstreben, das auf ein Landschaftsmosaik mit verschieden bewirtschafteten und unbewirtschafteten Waldbeständen setzt, die unterschiedliche Eigenschaften haben.»

Regionale Vorrangfunktionen
Hierzu sollte die Waldnutzung in einem grös­seren räumlichen Massstab koordiniert werden. Je nachdem, welche Leistungen man innerhalb eines Standortes fördern wolle, so Fischer, könnten sich Försterinnen und Förster auf bestimmte Waldmerkmale konzentrieren: Abhängig vom jeweiligen Ziel kann dies bedeuten, unbewirtschaftete Bestände zu erhalten oder in bewirtschafteten Beständen die strukturelle Vielfalt, etwa durch Förderung junger Bäume und der Strauchschicht, zu erhöhen, viel Totholz zu belassen oder auch Bestände durch die Schaffung von Vegetationslücken aufzulichten.

«Da die einzelnen Bewirtschaftungsziele je nach Region und Standort variieren, sind dementsprechend auch die Ökosystemleistungen nicht überall gleichbedeutend», sagt WSL-Mitarbeiter Clemens Blattert. In Bergwäldern etwa sei die Schutzleistung des Waldes von grösserer Bedeutung als im Flachland, in dem mal die Holzproduktion, mal die Erhaltung der Biodiversität oder in dicht besiedelten Gebieten auch die Erholung Vorrang haben können. 

Welche finanziellen Konsequenzen die jeweiligen Bewirtschaftungsstrategien für den Forstbetrieb haben, lässt sich mit dem Modell der WSL ebenfalls analysieren. Hierdurch wird es möglich, die Ökosystemleistungen eines Betriebs umfassend zu bewerten und die Vergabe öffentlicher Fördermittel dementsprechend auszugestalten. 

Wie hoch diese Fördermittel sein sollen, ist in der Schweiz ein Politikum. So wird der St. Galler Kantonsrat im Februar darüber debattieren, ob er die staatliche Förderung der Waldbewirtschaftung verstärken will. Aufgrund der tiefen Holzpreise, so eine Motion, würden aus Kostengründen wichtige Waldpflegearbeiten nicht durchgeführt. Das Problem kennt auch der Aargau, weshalb der dortige Branchenverband im November mittels Waldinitiative mehr Geld vom Volk forderte. Dieses lehnte das Begehren an der Urne ab.