«Die Carros de Foc sind für Israeli ein Muss», erklärt Nadav aus ebenda. Er sitzt mit seinem Bruder und seinem Vater an einem grossen Holztisch im Refugi Saboredo und erzählt den Anwesenden, dass die mehrtägige Pyrenäen-Rundwanderung im Nationalpark Aigüestortes i Estany de Sant Maurici im Nordwesten Kataloniens in seinem Heimatland äusserst bekannt und beliebt sei. Und in der Tat begegnet man seinen Landsmännern und -frauen auf jeder Etappe der etwa 72 Kilometer langen Tour. In den Refugis, den einfachen Berghütten, in denen man die Nächte verbringt, trifft man ausser ihnen natürlich Spanier, denn in diesem Land befinden wir uns ja. Weitere Wanderbegeisterte kommen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Holland, Russland oder Schottland.  

Die ganze Welt, so scheint es, hat schon von den Carros de Foc gehört – bis auf die Schweizer. Diese haben sich bis jetzt wahrscheinlich einfach auch nicht dafür interessiert. Dabei lohnt sich ein Blick über den Alpenrand hinaus durchaus. Die Carros de Foc (katalanisch: Feuerwagen) gehören nämlich zweifelsohne zum Schönsten, was die Pyrenäen zu bieten haben. Was die Wanderung allerdings mit Feuer zu tun hat, bleibt unklar. Vielmehr ist Wasser das prägende Element der Tour. Dutzende von Bergseen in allen möglichen Schattierungen von Blau säumen die Wege. Hinter jeder Kurve und Krete wartet ein weiterer, noch spektakulärerer See, eingebettet wie ein Saphir im Gestein.  

Kein Spaziergang
Und auch von diesem gibt es auf den Carros de Foc reichlich, denn ein Spaziergang ist die Tour nicht. Machbar ist sie in vier bis sieben Tagen, man befindet sich auf einer Durchschnitthöhe von 2400 Metern und überwindet jeden Tag mehr als 1000 Höhenmeter. Auf jeder Etappe gilt es, etliche Pässe zu überwinden, von denen manche sehr steil sind. Es führt auch nicht auf jeden ein klar ersichtlicher Weg hinauf, so dass man an vielen Stellen auf allen Vieren über Felsbrocken und durch Geröllhalden kraxeln muss, immer den Steinmännchen folgend, die gütige Wanderer vor einem aufgestellt haben. Wer nicht schwindelfrei ist, wird es hier schwer haben.

Gerade wegen diesen schwierigen Passagen ist der Zusammenhalt unter den Wanderern gross. Man tauscht am Abend in den Unterkünften Erfahrungen und Tipps aus und zeigt sich auch unterwegs hilfsbereit. Als eine Wanderin aus Spanien ihr Handy verliert, kehrt einer unserer Gefährten kurzerhand um, um es mit ihr zu suchen. Am nächsten Tag wartet er auf sie, damit sie den steilen und nicht ganz ungefährlichen Pass nicht alleine erklimmen muss. 

Kreuzotter und Gänsegeier
Vieles an den Pyrenäen erinnert an die Alpen, doch die Landschaft erscheint sanfter und etwas weniger schroff. Ausserdem ist das Klima in dem südlicher gelegenen Gebirgszug an der Grenze von Spanien und Frankreich milder, die Baumgrenze liegt höher als in den Alpen. Wir erleben konstanten Sonnenschein. Bei den Tieren trifft man auf alte Bekannte: Dachs, Fuchs, Schneemaus und Murmeltier kreuzen unsere Wege und zu unserer grossen Begeisterung sehen wir sogar eine etwa zwölf Zentimeter lange Baby-Kreuzotter mit einem winzigen Köpfchen. Auffallend sind die vielen Gänsegeier, die manchmal zu Dutzenden am Himmel ihre Kreise ziehen. Diese Aasfresser sind in den Alpen ein noch relativ seltener Anblick. Es übersommern jedoch immer mehr von ihnen in der Schweiz («Tierwelt Online» berichtete). 

Im Refugi Saboredo spielen Israeli, Deutsche und Spanier noch ein Kartenspiel. Um 22 Uhr jedoch gehen die Lichter aus. Schliesslich muss man am Mogen wieder früh aufstehen. Das hält manche der Wanderer jedoch nicht davon ab, draussen noch ein bisschen die wolkenlose Nacht zu geniessen. Es ist Neumond. Die Sterne leuchten in ihrer ganzen Kraft und das Band der Milchstrasse zieht sich deutlich sichtbar über das Firmament. Ein Anblick, der auf jedem Berg der Welt atemberaubend ist.