Was verstehen Sie unter Aquakultur, Herr Tschudi?

Aquakultur beinhaltet die pflanzliche und tierische Produktion unter Wasser. Dazu gehören auch Makroalgen-, Muschel- und Krebstierzuchten im Meer. Fischzucht ist ein Unterbereich der Aquakultur.

Welche Arten sind in der Schweiz für die kommerzielle Fischzucht interessant?

Egli, Zander und Forelle sind präsent, Felchen wird populärer. Bei Lachs und Shrimps ist der Konsum sehr hoch. Auch für diese zwei Bereiche gibt es Aufzuchtbetriebe in der Schweiz. Klein ist die Nische der Karpfenzucht. Interessierte sollten sich vorgängig unbedingt ein gutes Bild vom Markt machen und sich ausgiebig mit dem Handel austauschen, damit sie realistische Preisvorstellungen haben.

Hat der Fischkonsum in der Schweiz eine steigende Tendenz?

In den letzten Jahren ist der Gesamtkonsum durchaus gestiegen.

Wie werden Speisefische in der Schweiz aufgezogen?

Viele Forellenzuchten ziehen Fische noch immer in Durchflussanlagen auf. Neue Betriebe zur Fischzucht arbeiten meistens mit Kreislaufsystemen.

Ist es nicht einfacher, im Wasserschloss Schweiz Fische in Durchflussanlagen zu mästen?

Für eine Durchflussanlage werden zwischen 30 und 200 Kubikmeter Wasser benötigt, um ein Kilo Fisch zu produzieren. Für grosse Fischaufzuchtprojekte sind solche Frischwasser-Mengen auch in der Schweiz selten vorhanden. Deshalb setzen viele Projekte auf Kreislaufanlagen, die nur wenige hundert Liter Wasseraustausch pro Kilogramm produziertem Fisch haben. In einer Kreislaufanlage wird das Wasser über biologische Prozesse aufbereitet und zu einem grossen Teil wiederverwendet. Nährstoffe wie Phosphor können aus diesem Wasser effizient zurückgewonnen und in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

Was ist der Vorteil von in der Schweiz produziertem Fisch?

Die Fische sind sehr frisch, Transportdistanzen sind klein. Zudem werden in der Schweiz hohe Standards eingehalten. Beispielsweise sind Massnahmen zum Tier- oder Gewässerschutz im Preis eines Schweizer Produktes abgebildet.

Braucht Aquakultur viel Energie, damit Beleuchtung und Wasserfilterung funktionieren?

Für Kreislaufanlagen braucht es einerseits Wärme oder Kälte, um die Temperatur zu kontrollieren. Zum Heizen kann Abwärme genutzt werden, zum Kühlen zum Beispiel Grundwasser. Andererseits braucht es Strom, um das Wasser so weit aufzubereiten, dass es wieder dem Kreislauf zugeführt werden kann. Pumpen, die Belüftung des Biofilters und der Betrieb der UV-Anlage, welche die Keimbelastung im Wasser reduziert, verbrauchen 4 bis 8 Kilowattstunden zur Produktion eines Kilos Fisch. Das entspricht dem Energieverbrauch von 10 bis 20 Minuten warm Duschen. Die Beleuchtung fällt kaum ins Gewicht. Dank dieses Stromverbrauchs wird aber viel weniger Wasser ausgetauscht, und die Gewässer werden vor Verschmutzung geschützt.

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Zu welchem Anteil kann der Bedarf an Fisch aus der Schweiz gedeckt werden?

Zwischen drei und fünf Prozent der konsumierten Fische und Meeresfrüchte stammen aus der Schweiz.

Das ist wenig.

Ich fände es gut, wenn der Anteil steigen würde. Aber das ist eine Kostenfrage. Die Produktion in der Schweiz berücksichtigt strenge Arbeits-, Tier- und Umweltschutzgesetze und hat ein hohes Lohnniveau. Zudem besteht auf Fisch kein Zollschutz wie auf Fleisch. Importprodukte sind dadurch sehr günstig.

Ist es lohnend für einen Bauer, auf Aquakultur umzustellen?

Nur in manchen Fällen können Kleinanlagen profitabel betrieben werden. Es kommt auf die Persönlichkeit, die Betriebsgrösse und die Wertschöpfungskette an.

Welche Bedingungen muss ein Landwirt erfüllen, wenn er in die Aquakultur einsteigen will?

Um Fische im landwirtschaftlichen Nebenerwerb in Kreislaufanlagen zu züchten, braucht es sehr viel Wissen zur Biologie und Technik sowie zu betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen und zur Vermarktung. Es ist schwierig, dies alles in einer Person zu vereinen. Bei Grossprojekten sind diese Bereiche auf mehrere Personen verteilt. Ein Betrieb kann schnell Schiffbruch erleiden, wenn aufgrund mangelhaften Wissens unausgereifte Anlagen angeschafft oder falsch betrieben werden. Die Produktionskosten pro Kilo Fisch in einem kleinen System sind oft höher als in einem grossen Betrieb. Produkte aus kleinen Betrieben müssen anders vermarktet werden. Es gibt aber einzelne Landwirte, die mit einer kleinen Menge Fisch eine gute Wertschöpfung erzielen.

Fischzucht und Aufzucht sind verschiedene Bereiche. Gibt es Betriebe, die beide vereinen, oder ist es lohnender, sich zu spezialisieren?

Einige grosse Betriebe züchten und ziehen Fische auf, beispielsweise Egli und Zander. Meist vermehren sie Fische, um die eigene Versorgung sicherzustellen oder weil es ihnen wichtig ist, dass der Fisch, den sie produzieren, vollständig aus der Schweiz stammt. In Forellenzuchten werden Eier meist zugekauft. Das macht Sinn, auch vom ökologischen Gesichtspunkt aus.

Zuchtfische leben in nackten Becken. Ist das ein Problem?

Dazu wird weltweit viel Forschung betrieben. Das Wichtigste für freischwimmende Fischarten ist eine einwandfreie Wasserqualität, die durch Kiesböden verschlechtert würde, da sie den Abtransport von Kot verhindern. Sinnvolle Massnahmen für eine Strukturierung der Haltungsumgebung können unterschiedlich starke Strömungen im Becken und Lichtverhältnisse sein.

Kommt die Aquakultur ohne Chemie aus?

Die Betriebe kommen ohne regelmässigen Einsatz von Medizinalstoffen aus. In der Schweizer Aquakultur wird nach guter Praxis nicht prophylaktisch behandelt, sondern es wird nur bei Krankheiten eingegriffen.

Woher stammt das Futter und woraus besteht es?

Es gibt Schweizer Hersteller, doch das meiste Futter stammt aus dem Ausland. Fischfutter ist artspezifisch und besteht oft aus Fischmehl aus Reststoffen der Fischverarbeitung, Proteinen und Kohlehydraten pflanzlicher Herkunft, aus pflanzlichem Öl und aus Fischöl. Weiter enthält es Mineralien und Mikronährstoffe. Es handelt sich um ein pelletiertes Vollfuttermittel.

Wird die Aquakultur in grossem Stil Schweinezuchten ablösen?

Das denke ich nicht. Es ist aber eine Tatsache, dass Fischzuchtprojekte mit Kreislaufanlagen seit Jahren grösser werden. Es wird in Zukunft weitere grosse Projekte geben.

 

Zur PersonFridolin Tschudi ist Experte für Ökotechnologie und Aquakultur. Der Umweltingenieur beschäftigt sich an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hauptsächlich mit Grossprojekten der Aquakultur und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis. Fokusthemen sind Energie- und Ressourceneffizienz in der Aquakultur.

Ausbildung AquakulturDie fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung (FBA) vermittelt die gesetzlichen Grundlagen für eine wirtschaftlich geführte Aquakultur, Kenntnisse über Anlagesysteme und zur Biologie der Fische. Die Ausbildung richtet sich an Betreiber von kommerziellen Fischhaltungen. Der Kurs beginnt am 15. August 2024 und beinhaltet sechs Tage; Anmeldeschluss ist der 15. Juli.
ZHAW – unter Suchbegriff Aquakultur - FBA