Die landwirtschaftliche Strukturerhebung des Bundesamtes für Statistik liefert die Zahlen für 2021: Demnach gab es in der Schweiz 48'900 Landwirtschaftsbetriebe, wovon 7670 Höfe biologisch wirtschafteten. Sie hielten etwas mehr als 1,5 Millionen Rinder, knapp 1,4 Millionen Schweine und gut 12,1 Millionen Hühner. Der Blick auf die Entwicklung seit 1985 zeigt, dass es etwas weniger Rinder und Schweine gibt, dafür aber hat sich die Zahl der Hühner seither verdoppelt.

Zum Strukturwandel in der Landwirtschaft gehört seit Langem, dass es Jahr für Jahr weniger Betriebe gibt. Diese werden tendenziell grösser respektive die Zahl der grossen Höfe steigt. Wie viele Nutztiere sie maximal halten dürfen, steht in der Höchstbestandesverordnung: 500 Zuchtsauen, 1500 Mastschweine, 300 Mastkälber, 18'000 Legehennen oder 27'000 Mastpoulets. Zu diesen Obergrenzen kommen Vorgaben zum Minimalplatz pro Tier, zu Fütterung, Betreuung, Beschäftigung oder Lichtverhältnissen im Stall.

Die Schweiz, so der Bundesrat, habe eines der strengsten Tierschutzgesetze weltweit. Ausserdem  fördere der Bund Produktionsformen, die besonders naturnah, umwelt- und tierfreundlich seien. Bauern bekommen Beiträge für besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme (BTS) und für regelmässigen Auslauf im Freien (Raus) – mit der Folge, dass immer mehr Kühe, Schweine oder Hühner in tierfreundlichen Ställen leben und regelmässig ins Freie kommen.

Das will die Initiative

«Raus aus Massentierhaltung» lautet der Slogan des Vereins Sentience, zu dessen Trägerschaft die Fondation Franz Weber, Greenpeace und Vier Pfoten gehören. Im Fokus der Initiative steht die industrielle Tierproduktion: Sie missachte die Grundbedürfnisse der Tiere, die nicht als Lebewesen betrachtet würden, sondern als Produkte, schreiben die Initianten. Deshalb soll die Würde der landwirtschaftlich genutzten Tiere in der Verfassung verankert werden.

Die geltenden Haltebestimmungen und das Tierschutzgesetz genügen den Initianten nicht. Ihrer Meinung nach verbringen die meisten Nutztiere – vor allem Schweine und Geflügel – den grössten Teil ihres Lebens gelangweilt und ohne Beschäftigung auf Betonböden und zusammengepfercht in Ställen oder Hallen. Nur zwölf Prozent der Tiere stünden jemals auf einer Weide. Die Initiative fordert für alle Nutztiere mehr Platz, täglichen Zugang ins Freie, Möglichkeiten zum Spielen, Einstreu und eine artgerechte Fütterung.

Der Bund müsse Kriterien dafür festlegen und die Maximalbestände in den Ställen bestimmen. Kleinere Gruppen und weniger Tiere pro Hektare Weidefläche sind erklärte Ziele und orientieren sich am Standard von Bio Suisse. Deren Richtlinie sieht nicht mehr als zwei Stalleinheiten und maximal 2000 Legehennen pro Stall vor. Ausserdem sollen Tiere und tierischemProdukte, die nach in der Schweiz verbotenen Methoden erzeugt wurden, nicht mehr eingeführt werden dürfen. Mit dieser Importklausel wollen die Initianten verhindern, dass einheimische Landwirte benachteiligt werden.

Die Parolen
Wie der Bundesrat empfiehlt auch das Parlament die Massentierhaltungsinitiative zur Ablehnung, der Nationalrat mit 106 zu 77 Stimmen bei acht Enthaltungen und der Ständerat mit 32 zu 8 Stimmen mit einer Enthaltung. Das Parlament lehnte auch den direkten Gegenvorschlag des Bundesrates ab. Nein-Parolen beschlossen haben die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und Die Mitte, der Schweizer Bauernverband, IP-Suisse, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete. Economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband und weitere Wirtschaftsverbände. Ja-Parolen fassten dagegen die Grünen, die SP und die GLP. Zu den Befürwortern gehören zudem der Schweizer Tierschutz STS, die Stiftung für das Tier im Recht, Bio Suisse, KAGfreiland, die Kleinbauern-Vereinigung, der Schweizerische Demeter-Verband und Pro Natura.

Die Argumente der Gegner

Die Schweizer Landwirtschaft zeichne sich durch ihr hohes Tierwohlniveau aus, schreibt das Nein-Komitee und verweist auf das weltweit einzigartige Tierschutzgesetz, die gesetzlich limitierte Zahl an Tieren, das funktionierende Kontrollsystem sowie die Anreizprogramme wie Raus und BTS. Zudem gebe es weitere Labelangebote wie Demeter oder KAGfreiland, deren Haltungsbestimmung noch strenger sind.

Jede Konsumentin, jeder Kunde habe es heute in den eigenen Händen, entsprechend einzukaufen und das Tierwohl zusätzlich zu fördern. Die Gegner sind überzeugt, dass die Initiative am Markt vorbeischiesst und der Bevölkerung die Wahlfreiheit nimmt, wenn für die gesamte Tierhaltung die Bio-Richtlinien vorgegeben wären. Die Preise für Fleisch, Eier, Milch und Co.würden sich um 20 bis 40 Prozent erhöhen. Nicht alle aber können sich ausschliesslich Bio-Produkte leisten. So stagniert ihr Anteil seit Längerem bei elf Prozent.

Deshalb befürchten die Gegner, dass die Initiative zu mehr Einkaufstourismus ins benachbarte Ausland führt. Dies diene weder dem Tierwohl noch der Ökologie und schwäche die Schweizer Wirtschaft, die regionale Produktion und schliesslich die Versorgung. Berechnungen der Fachhochschule Nordwestschweiz zufolge ginge der Selbstversorgungsgrad bei Poulet von 58 auf 5 Prozent zurück, bei Eiern von 56 auf 20 Prozent sowie beim Schweinefleisch von 92 auf 50 Prozent.

Dies mit der Folge, dass die Schweiz mehr Lebensmittel einführen müsste. Da die Initiative nur noch Importe biologischer Produkte erlauben will, würden sich auch diese verteuern. Betroffen von den Importbeschränkungen wären nicht nur Fleisch und Milch, sondern auch Produkte mit Zutaten tierischer Herkunft, Eier-Teigwaren etwa oder Schokolade.

Die Fristen

Rund 3300 Betriebe müssten gemäss Bundesrat ihren Tierbestand verkleinern oder ihre Betriebsflächen vergrössern. Die Initianten betonen denn auch, dass Kleinbauern und Alpbetriebe nicht betroffen wären, da sie keine «Fleischfabriken» betreiben. Gemäss den Übergangsfristen müssten aber spätestens 25 Jahre nach Inkrafttreten der neuen Gesetze alle Schweizer Nutztiere nach Bio-Suisse-Standards gehalten werden.