Herr Sciarra, können Sie beschreiben, wie eine Tiertransportkontrolle des STS abläuft?

Der STS erhält von Transportunternehmen und Tierhändlern die Tiertransportdispositionen. Daher sind wir im Bilde, welche Transporte schweizweit statt-finden. Wir führen zwei Arten von Kontrollen durch, die Annahme- oder die Begleitkontrolle. Beide finden jeweils unangemeldet statt. Bei einer Annahme-kontrolle begeben sich zwei Kontrolleure gemeinsam auf einen Schlachthof oder Viehmarkt. Bei der Ankunft eines Transporters muss erst kontrolliert werden, ob sich mindestens ein Labeltier darauf befindet, nur wenn dies der Fall ist, dürfen wir eine Kontrolle vornehmen. Die Kontrolleure begutachten sämtliche Dokumente auf ihre Korrektheit und beobachten den Ablad der Tiere. Der Zustand der Tiere wird angeschaut. Pro Tag können rund zwölf Transporte überprüft werden. Bei Begleitkontrollen ist jeweils ein Kontrolleur unterwegs. Er fängt den Chauffeur auf einem der Betriebe ab und begleitet dann den Transport von Hof zu Hof bis zum Schlachtbetrieb. Dabei überprüft er, wie die Bauern und die Chauffeure mit den Tieren umgehen und ob diese genügend Platz zur Verfügung haben.

Der Schweizer Tierschutz STS führt Tiertransportkontrollen für Label wie IP-Suisse, Bio Suisse, Lidl Terra Natura Schweine, Coop Naturafarm Poulet oder Mutterkuh Schweiz durch. Welche anderen Stellen machen noch Kontrollen?

An den Schlachthöfen sind es die kantonalen Veterinärämter, die den Ablad eines Transportes begutachten können. Da aber die Kantonsveterinäre beim Schlachtbetrieb viele andere Kontrollaufgaben übernehmen müssen, bleibt meist wenig Zeit, um sich dem Transport zu widmen. Auf der Strasse darf die jeweilige Kantonspolizei Kontrollen durchführen. Die Polizisten nehmen aber eher die Fahrzeuge unter die Lupe; um Tierschutzaspekte zu überprüfen, sind sie nicht ausgebildet. Solche Strassenkontrollen können manchmal sogar zu Tierschutzproblemen führen, wenn ein Transporter über längere Zeit aufgehalten wird. Kontrollen, bei denen das Veterinäramt und die Polizei zusammen-arbeiten, sind am sinnvollsten. Es ist zu sagen, dass die kantonalen Unterschiede, was die Bestrafung von Missständen angeht, gross sind.

Zum Stichwort Bestrafung, wie wird dies bei Beanstandungen vom STS gehandhabt?

Bei den Kontrollen des STS werden privatrechtliche Vertragsstrafen ausgesprochen. Damit nicht der Vorwurf der Bereicherung entstehen kann, erhebt der STS keine Geldstrafen. Wir verteilen nach Schweregrad des Verstosses abgestufte Strafpunkte. Diese werden dann von den Labelinhabern als Sanktionen in Form von Geldbussen der Tierhandelsfirma in Rechnung gestellt.

Wie viele Tiertransportkontrollen führt der STS jährlich durch?

Wir kontrollieren durchschnittlich 300 Transportgespanne. Das sind natürlich nur wenig Stichproben im Verhältnis aller Tiertransporte, die unterwegs sind.

Wie wird man denn Kontrolleurin für Tiertransporte beim STS?

Wir suchen Personen, die sich mit der Schweizer Landwirtschaft und Nutztieren auskennen. Also Landwirte, Agronomen, Veterinärinnen oder auch Zoologen.Engagement für den Tierschutz ist Voraussetzung. Aber auch das Verständnis für die Arbeit des Landwirtes muss vorhanden sein. Wenn Landwirte, Chauffeure und Kontrolleurinnen zusammenarbeiten, können wir das Wohlergehen der Tiere verbessern. Kontrolleuren darf es nichts ausmachen, nachts unterwegs zu sein, denn die Schlachthöfe beginnen um fünf Uhr morgens mit der Arbeit, weite Strecken im Auto zurückzulegen und auf unvorhersehbare Situationen zu treffen. Der STS bildet seine Kontrolleure selber aus.

Auf welche Verstösse treffen die Kontrolleure am häufigsten?

Überladene Transporte, das heisst, wenn mehr Tiere als erlaubt auf einem Transporter stehen, treffen wir zwar weniger als noch vor zehn Jahren an, aber doch noch zu oft. Und der zweite Missstand, den wir immer wieder sehen, sind aus gesundheitlichen Gründen nicht transportfähige Tiere, die trotzdem verladen werden. Und dann gibt es natürlich auch viele kleine Details an den Lastwagen, die wir bemängeln müssen.

Beobachten Sie auch schwerwiegende Verstösse hinsichtlich des Tierwohls?

Bei professionellen Grosstransporteuren viel weniger als früher. Wir können sagen, die Transporte wurden viel tierfreundlicher! Bei kleinen Transporten sieht es aber teils noch bedenklich aus, was den Umgang mit den Tieren und die Wartung der Fahrzeuge betrifft.

Labeltiere werden gemeinsam mit Nicht-Labeltieren transportiert. Hat denn zum Beispiel Bio Suisse dieselben Transportstandards wie QM-Schweizer Fleisch, also konventionell aufgezogene Tiere?

Der Unterschied liegt in den STS-Richtlinien, diese nehmen die Label in ihre Richtlinien auf. Für QM-Tiere gelten lediglich die gesetzlichen Mindestverordnungen. Sobald aber auch nur ein Labeltier auf einem Transport ist, gelten die STS-Standards. So werden unsere tierfreundlicheren Vorschriften von sehr vielen Transporteuren berücksichtigt.

Können denn für alle Label, die Sie kontrollieren, Sanktionen ausgesprochen werden?

Sie sprechen die Geflügel- und Kaninchentransporte an. Hier ist die Situation tatsächlich etwas anders. Bei diesen Transporten ist es allerdings auch so, dass beim Ein- und Auspacken der Tiere aus den Transportkisten ihnen mehr Leid zugefügt werden kann als während des Transportes. Deshalb stehen bei diesen Transporten nicht Sanktionen gegen die Tiertransporteure, sondern eher gegen Betriebsleiter im Vordergrund.

Sie kontrollieren ausschliesslich Fahrten innerhalb der Schweiz. Sind es aber nicht gerade die Transit-Transporte, bei denen hinsichtlich Tierwohl einiges im Argen liegt?

Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Schlachtpferde und Schlachtgeflügel aus Drittstaaten dürfen gar nicht mehr auf der Strasse die Schweiz durchqueren. Auch per Bahn finden kaum Transit-Transporte von Tieren durch die Schweiz statt.

Welche Punkte müssten aus Ihrer Sicht bei Tiertransporten noch verändert werden, um das Tierwohl besser zu gewähren?

Die Transportfähigkeit der Tiere muss noch stärker berücksichtigt werden. Manche Landwirte nehmen diesbezüglich ihre Verantwortung nicht genügend wahr und Tierärztinnen stellen zu oft Gefälligkeitszeugnisse aus. Tiere, für die es aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar ist, dürfen auf keinen Fall transportiert werden!

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