Wie ein gut gepflegter Garten präsentiert sich die Pflanzenwelt rund um das Haus von Mar Tomas nicht. Dafür nimmt gerade eine Amsel ein Bad in einem mit Wasser gefüllten Metallbecken. Damit die Vögel aus der Badewanne auch wieder herauskommen, hat die Naturgartenspezialistin Simone Zahner den kleinen Swimmingpool mit Wandkies und einigen grösseren Steinen ausgelegt, zwischen denen Wollgras und der Kleine Rohrkolben wachsen. «Ich möchte aus diesem Garten einen Naturgarten machen», sagt ihre Kundin Tomas. Weil sie selbst keine Ahnung hat, wie man Insekten, Vögel und andere Kleinlebewesen anlockt, hat sie Simona Zahner engagiert.

Die 35-jährige Baumpflegerin arbeitete bei der Gartenbaufirma, die sich um Tomas’ Garten in Rüschlikon bei Zürich kümmerte. Bei den Arbeiten kamen die beiden Frauen miteinander ins Gespräch. «Ich hatte den Eindruck, dass Simona genau die Richtige ist für das, was ich mir vorstelle», sagt Tomas. Zahner hat an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Umweltnaturwissenschaften studiert und sich ein grosses Fachwissen zur einheimischen Flora und Fauna angeeignet. Weil sie ihr Leben nicht im Büro verbringen wollte, hängte sie nach dem Studium eine Weiterbildung zur Baumpflegespezialistin an.

«Auf das Baumklettern bin ich im Rahmen meiner Abschlussarbeit gekommen, für die ich in Peru Paranüsse von den Bäumen holen musste», erzählt sie. Vor drei Jahren hat sie die Beratungs- und Gestaltungsfirma «Diversifolium» gegründet. Auf Deutsch heisst das so viel wie «Blättervielfalt» und spiegelt ihre Leidenschaft für Bäume wider. Wenn ein Landwirt einen Agroforst anlegen will, kann Zahner ihm sagen, welche Bäume sich wo am wohlsten fühlen, welche Eigenschaften sie auszeichnen oder welche Sträucher sich als Futterhecke für Rinder oder Schafe eignen. Sie pflanzt und pflegt die jungen Bäume, bis sie gross und stark sind und nur noch mithilfe einer Leiter oder mit einer Kletterausrüstung gepflegt werden können.

Allerdings sei das Klettern in den Baumkronen und die Äste abzusägen aus einer oft sehr ungünstigen Position körperlich anstrengend und nicht ungefährlich, erklärt Zahner. «Deswegen gibt es die Ausbildung zur Baumpflegespezialistin nur als Weiterbildung für Erwachsene», ergänzt sie. Seit Zahner sich oft stundenlang mit Seil und Klettergurt in Baumkronen fortbewegt, hat sie sechs Kilo zugenommen. «Und zwar ausschliesslich Muskelmasse», sagt sie und wirkt darüber selbst erstaunt. Erst als sie die Jacke abnimmt, fallen ihre breiten Schultern auf.

Gras entfernen mit der Heuherdöpfelmethode

Doch zurück in den Naturgarten, der mit Zahners Hilfe in Rüschlikon entsteht: Ein besonntes Grasareal des 600 Quadratmeter grossen Gartens wird Zahner mit der «Heuherdöpfelmethode» von der Grasnarbe und dem kriechenden Hahnenfuss befreien, um Platz für andere Pflanzen zu schaffen. Denn Tomas will nicht nur Vögeln und Kleintieren Lebensraum und Nahrung bieten, sondern auch selbst Gemüse und Früchte aus ihrem Garten essen. «Die Pflanzen sollen nicht wie Möbel herumstehen. Ich will auch etwas davon haben», lacht sie. Zahner wird im Frühling vorgekeimte Kartoffeln auf der Grasfläche verteilen. Darüber kommt eine rund 30 Zentimeter dicke Heuschicht. «Das ist eine schonende und arbeitssparende Art, Grasnarben wegzubringen, ohne dafür Pflanzengift einzusetzen», erklärt Zahner. Danach werden die beiden Frauen auf der ehemaligen Grasfläche Beerensträucher und essbare Wildstauden pflanzen.

Gift, oder etwas unschuldiger: «Pflanzenschutzmittel» sind für Zahner bei der Gartenpflege tabu. Denn sie zerstören genau das, wofür ihr Herz schlägt: die unglaubliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren, die aufgrund der intensiven Bewirtschaftung von fast jedem Quadratmeter Boden bedroht ist. In den Gärten wachsen zudem oft invasive ausländische Gewächse wie der Kirschlorbeer, mit denen die einheimische Tierwelt nichts anfangen kann. «Kirschlorbeer bietet weder Insekten noch Mikroorganismen Nahrung, ist giftig und breitet sich in den hiesigen Wäldern invasiv aus», so Zahner. «Sein Verkauf ist seit letztem Herbst darum verboten.» Die Kirschlorbeersträucher auf Tomas’ Grundstück wird sie allesamt ausreissen.

[IMG 2]

Die Kirschlorbeerhecke an der Grenze zum Nachbargrundstück hat Zahner bereits entfernt und an ihrer Stelle Eiben gepflanzt. Vom serbelnden Kirschbaum liess sie beim Fällen einen zwei Meter hohen Strunk stehen. Als «Ökozapfen» bietet er Lebensraum für allerlei Insektenlarven und Wildbienen, die wiederum Vögel in den Garten locken. Darunter und daran hoch wachsen das Waldgeissblatt und Kletterrosen. Auch Wildsträucher wie Kreuz- und Schwarzdorn haben in Tomas’ Garten einen Platz gefunden. Die Sträucher bieten Vögeln ein Versteck, ihre Beeren zudem ein willkommenes Buffet.

Ein paar Tage später hat sie in der Krone einer Buche, auf dem Areal einer Immobilienfirma, den Auftrag, sich um die Pflege der Bäume zwischen den Häuserblocks zu kümmern und dafür zu sorgen, dass die Bäume aller Altersklassen gesund bleiben. Gesichert mit einem Klettergschtältli, diversen Karabinern und einer verwirrenden Anzahl verschiedenfarbiger Seile ist sie dort mit zwei Kollegen in der Krone einer stattlichen alten Buche zugange. Zuvor hat sie den Gesundheitszustand der rund 50 Bäume auf dem Areal inspiziert und kartiert und die Art der Pflegemassnahmen festgelegt. Junge Bäume bekommen einen «Erziehungsschnitt», damit sie stabile und arttypische Kronen entwickeln. Dabei sollten beim Schnitt immer nur maximal 30 Prozent der Blattmasse entfernt werden. «Die erste Frage beim Schnitt ist immer: Was will ich erreichen?», erklärt die Baumpflegerin. Das hänge auch vom Standort des Baumes ab. Wenn es ein Strassen- oder Trottoirbaum ist, gibt es Vorschriften, wie weit die Äste in den benutzten Raum reichen dürfen. Zudem gilt es, eine stabile Krone zu schaffen und bruchgefährdete Äste zu entfernen. «Wenn wir im Baum arbeiten, achten wir darauf, dass wir keine Tiere stören, die dort leben», betont Zahner. Bei der Kronenpflege entfernen sie Totholz und Äste, die beim Wachsen aneinander reiben. Dabei entfernen sie Totholz nicht grundsätzlich: «Es ist ein wichtiger Lebensraum für Pilze und Insekten», erklärt Zahner und ergänzt: «Gefährdet es Personen, die sich unter dem Baum aufhalten, muss es natürlich weg.» In diesem Fall entfernen die Baumpfleger auch Äste, die zu nahe an die Hausfassade heranreichen, und achten darauf, dass genug Licht in die Krone gelangt. Bei der Arbeit im Geäst ihrer Pfleglinge sind die Baumpfleger jederzeit über ihre Seile gesichert. Doch aus der jeweiligen Position den Zustand der Äste korrekt zu beurteilen erfordert Training und Erfahrung. Die Arbeit ohne Hebebühne verhindert aber, dass Äste verletzt werden, wenn man damit in die Krone hineinfährt. Zudem fehlt gerade in Privatgärten oft der Platz für eine Hebebühne.

Baumpflege ist auch Bodenpflege

«Sehr wichtig für die Gesundheit eines Baums ist der Boden, in dem er wurzelt», erklärt mir Zahner. Im Falle der Buche ist dieser arg verdichtet. «Wurzeln brauchen aber lockeren, luftigen Boden», weiss die Baumpflegerin. Um zu verhindern, dass die Bewohner der Siedlung auf dem Wurzelbereich herumtrampeln, überlegt Zahner, dort ein paar Stauden und Sträucher zu pflanzen. Auf jeden Fall wird sie das Laub des Baumes nicht wegräumen, damit sich daraus Humus bilden kann. «Manchmal rate ich auch dazu, den Boden im Wurzelbereich mit Kompost zu düngen.»

Besonders weh tut es Zahner, wenn Bäume beim Abriss von Häusern nicht richtig geschützt werden. «Die Baufirmen kümmern sich oft zu spät um den Baumschutz. Der sollte aber wegen der Platzverhältnisse von Anfang an mitgedacht werden», so Zahner. «Auf keinen Fall dürfen im Wurzelbereich Grabarbeiten stattfinden. Und um eine Verdichtung des Bodens zu vermeiden, sollten dort auch keine Baumaschinen stehen oder Material gelagert werden», empfiehlt sie.