Nashörner sind Vertreter einer erdzeitlichalten Tiergruppe, die vor 40 Millionen Jahren in zahlreichen Formen auch in Europa und Nordamerika verbreitet war. Noch während der letzten Eiszeit vor 15 000 Jahren zog das Wollnashorn durch Europa. Heute leben noch fünf Nashornarten in Asien und Afrika. Sie sind alle vom Aussterben bedroht. «Land für die Tiere fehlt zunehmend, die Wilderei ist nach wie vor ein Problem, obwohl heute alle Nashörner überwacht werden», sagt Dr. Friederike von Houwald. Die Veterinärin und Direktorin des Tierparks Bern ist Spezialistin für Nashörner. Sie ist als Vertreterin der Europäischen Zoos und Aquarien (EAZA) Mitglied beider Gruppen der IUCN, die sich um die afrikanischen und die asiatischen Nashörner kümmern. Die IUCN ist eine Weltnaturschutzunion mit Sitz in Gland VD.

[IMG 2]

Friederike von Houwald schwärmt: «Nashörner fand ich immer sympathisch. Sie sind sehr zugänglich in ihrer Dinosaurierdimension.» Sie verfasste ihre Doktorarbeit über die Fussprobleme von Indischen Panzernashörnern in der Zoohaltung. «Dadurch hatte ich engen Kontakt zu diesen Tieren.» Später wurde sie Kuratorin im Basler Zoo und verantwortete die weltbekannte Basler Zucht des Indischen Panzernashorns.

Was von Houwald herausfand, war bannbrechend für die Haltung dieser Art. «Ihre Füsse sind nicht dazugemacht, auf festem Boden zu stehen», betont die Veterinärin. Seit Zoos Rindenmulch und Holzschnitzel in Innen- und Aussengehegen verwenden, sind die Fussprobleme der Panzernashörner in den Zoos verschwunden. Von Houwald wirkte auch beratend in zoologischen Gärten der USA. Auch dort werden ihre Erkenntnisse jetzt umgesetzt.

[IMG 3]

Indonesische Nashörner in Bedrängnis

Die Situation des Indischen Panzernashorns beurteilt von Houwald als gut. Die Art sei vor Wilderern geschützt. In Indien wissen Wilderer: Sobald sie ertappt werden, wird auf sie geschossen. Nashörner werden wegen ihres Horns gewildert. «Panzernashörner sind zudem renitenter in gewissen Bereichen», streicht die Veterinärin heraus. Sie pflanzten sich gut fort und kämen mit der Nähe zum Menschen zurecht. Inder und Nepalesen würden sich ebenfalls sehr gut an das Nashorn anpassen. «Der Bestand sank einst auf unter 250 Tiere, um 1890 lag er gar auf unter 100. Jetzt gibt es wieder über 4000 der Kolosse», sagt die Spezialistin. Zudem sei es ein Vorteil, dass Panzernashornkühe ziemlich nahe beieinander leben könnten. «Ich habe im Kaziranga-Nationalpark in Nordindien 30 Kühe auf zwei Hektaren beobachtet.» Das ist aussergewöhnlich, denn grundsätzlich leben alle Nashörner, ausser dem Breitmaulnashorn, eher als Einzelgänger.

[IMG 3]

Die Situation des Java- und des Sumatranashorns hingegen sieht von Houwald pessimistisch. Sie denkt, dass beide Arten wohl keine 300 Jahre mehr überleben werden. «Die Fläche fehlt.» Sie kommen auf sehr bevölkerungsreichen indonesischen Inseln vor. Die Lebensräume sind zerstückelt, sodass die Tiere nicht mehr zueinander finden, zudem sind viele Biotope bereits vom Menschen beeinflusst. Das Sumatranashorn ist die kleinste und einzige Nashornart, die behaart ist. Von Houwald erzählt von der Idee, die letzten Vertreter dieser Art zu fangen und in einem Zuchtzentrum zusammenzubringen. «Ein Lichtblick ist, dass die Bestandeszahlen beider indonesischer Arten seit Jahren stabil bleiben und dass sie nicht gewildert werden», sagt von Houwald.

Ob im Zoo oder im Freiland, Nashornpopulationen werden heute meist gemanagt. «Ein Lebensraum verträgt nur eine begrenzte Anzahl einer Tierart, die Schutzgebiete und Nationalparks sind in sich begrenzt», bringt die Tierparkdirektorin das Problem auf den Punkt. Friederike von Houwald erwähnt die Bestände des Spitz- und Breitmaulnashorns in Afrika. Sie hat während längerer Zeit in Sambia mit diesen Arten gearbeitet. Oft lebten sie, besonders im südlichen Afrika, in umzäunten privaten Schutzgebieten. Nur der Krüger-Nationalpark im Nordosten Südafrikas sei so gross, dass sich die Bestände dort unkontrolliert vermehrten.

Obwohl beide Arten aus teilweise gleichen Lebensräumen stammen, konkurrenzieren sie sich nicht. Das Breitmaulnashorn weidet Gräser in Savannen ab, das Spitzmaulnashorn zupft mit seinen spitzen Lippen Blätter von Ästen. «Beide Arten haben hohe Ansprüche an die Ernährung», streicht von Houwald heraus. Gerade die Zoobestände des Spitzmaulnashorns seien sehr wichtig für den Erhalt des Wildbestands. In den 1970er- und 1980er-Jahren seien in Ostafrika viele Tiere wegen des Elfenbeins gewildert worden. «Darum sind heute ausgewilderte Tiere wichtig für die Genauffrischung der Wildbestände.» Vor vier Jahren seien Spitzmaulnashorn-Nachzuchten aus europäischen Zoos in einem Nationalpark im ostafrikanischen Ruanda ausgewildert worden.

[IMG 4]

Die Kombination von Wilderei, Strassen, die Lebensräume durchkreuzen, zerstückelten Biotopen und Bevölkerungswachstum mit dem folgenden Landmangel für Wildtiere bringen die Nashornarten an den Rand des Aussterbens. Das zeigen die Bestandeszahlen in den Artenporträts, die von der Organisation Save the Rhino stammen. Trotz der alarmierenden Zahlen: Schutzmassnahmen helfen, zahlreiche Menschen und Institutionen setzen sich für den Erhalt der Nashörner ein. Dank diesem Engagement streifen die letzten urzeitlichen Riesen auch heute noch durch Savannen und Wälder der Tropen.

Wo leben in der Schweiz Nashörner?
Zoo Basel:
Seit 1951 hält der Zoo Basel Indische Panzernashörner. Die europäische Erstzucht gelang dort 1956. Basel führt auch das europäische Erhaltungszuchtprogramm.

Zoo Zürich:
Seit 2019 werden auf der neuen Lewa-Savanne Breitmaulnashörner gehalten. Bis 2017 war der Zürcher Zoo für die Haltung von Spitzmaulnashörnern bekannt.