Der Vogel im Käfig ist kaum noch populär in der öffentlichen Meinung. Er müsse frei sein, fliegen können, finden viele. Das Problem: Beide Vorstellungen stimmen nicht. Erstens wird in der modernen Haltung schon lange kein Einzelvogel mehr im Käfig gehalten. Zweitens sind Vögel in der Natur nicht frei. Das wird beispielsweise beim Beobachten eines Rotkehlchens am Bach klar. Schiesst es über sein Territorium hinaus, wird es unerbittlich vom Konkurrenten verjagt. Es ist Zwängen unterworfen und räumlich eingeschränkt.

Die Vogelhaltung zieht sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte. Sie ist nicht nur aus der Antike beschrieben, sondern umspannt fast den ganzen Globus. Ob von Indigenen im Amazonas oder Einheimischen der Südseeinseln, Vögel werden als Sänger oder Kumpane gehalten. Wenn behauptet wird, dass Vogelhaltung nicht mehr zeitgemäss sei, stellt sich die Frage: Wer legt das denn fest? Es ist befremdlich, wenn sich Politiker, Organisationen oder Einzelne die Legitimität geben, darüber zu entscheiden. Ein Einzelvogel in einem kleinen Käfig ist keine korrekte Haltungsform. Doch: So wie wir heute nicht mehr mit der Gänse-feder in der Hand schreiben, hat sich auch die Haltung von Vögeln entwickelt. Vögel werden in geräumigen Käfigen, Zimmervolieren und kombinierten Innen- und Aussenvolieren gehalten, dies von zoologischen Gärten und Privaten. Es ist nichts Falsches dabei, Vögel so zu halten. Sie bewohnen auch in Volieren kleine Territorien, die ihnen erlauben, ihre Bedürfnisse abzudecken und arteigene Verhaltensweisen auszuleben. Zum Wohlbefinden tragen beispielsweise eine Sitzwarte, ein Dickicht, eine Badestelle, Laub- und Sandboden und frische Äste zum Benagen bei, je nach Art.

Zahlreiche Fachliteratur, oft durch Private erschaffen, zeugt von umfangreichen Erkenntnissen, die durch die Vogelhaltung gewonnen wurden. Sie helfen auch bei der Rettung seltener Arten. So etwa auf Mauritius, als für den höchst bedrohten Echosittich, von dem nur noch höchstens zwölf Exemplare überlebten, ein Erhaltungszuchtprogramm initiiert wurde, das auch auf Volierenzucht basierte. Heute leben wieder um die 1000 dieser Vögel auf der Insel im Indischen Ozean.

Verantwortungsvoll betriebene Vogelhaltung ist Teil der Tierhaltung. Interesse, Freude an der Kreatur, Arterhaltung und biologischer Wissensgewinn können Gründe sein, Vögel zu halten. Dahinter stecken Engagement, Kenntnisse und eine lange Geschichte. Kanarienvögel etwa werden seit mehr als 500 Jahren gehalten und gezüchtet, Wellensittiche wurden 1840 erstmals nach Europa importiert. Viele Arten werden durch Züchter seit Generationen vermehrt. Dadurch sind überhaupt Details über sie bekannt. Vogelhaltung bringt den Menschen in Kontakt mit der Natur, beglückt, rettet Arten und trägt zu erweiterten Kenntnissen bei. Eine aktuelle Passion, der rote Faden durch die Menschheitsgeschichte eben.

Lars Lepperhoff ist Redaktor der TierWelt und Vogelhalter und -züchter seit seiner Kindheit.