Als Mammuts noch lebten, war die Welt eine andere. Die an kaltzeitliche Verhältnisse angepassten Giganten starben etwa vor 11'500 Jahren in Europa und Nordamerika aus. Das Wollhaarmammut gilt als das wohl am besten untersuchte, ausgestorbene Tier. An unterschiedlichen Stellen auf der Welt wurden gut erhaltene Skelette entdeckt. Genau solche Funde will sich die US-Firma «Colossal Biosciences» zu Nutze machen. Mit dem Einsatz von Gen-Technik sollen Mammuts wiederbelebt werden. Die grossen Tiere seien «wichtige Beschützer der Erde» wie es auf der Firmen-Webseite heisst. Ein ambitioniertes Projekt oder doch nur heisse Luft um nichts? Wir fragen beim Schweizer Mammutspezialist Heinz Furrer nach: 

Herr Furrer, die Firma «Colossal Biosciences» möchte Mammuts zurückbringen, ist dieses Vorhaben seriös oder doch eher absurd? 

Ich kenne die 2021 von George Church und Ben Lamm gegründete Firma «Colossal Biosciences» nur aus den Medien und Wikipedia. Ich denke, dass die Rekonstruktion eines «Hybrids» des Asiatischen Elefanten mit DNA-Fragmenten des ausgestorbenen Wollhaarmammuts zwar irgendwann möglich sein könnte. Allerdings finde ich den Aufwand unsinnig und auch tierethisch unverantwortbar. Ich teile die Meinung vieler Fachleute, dass es den Beteiligten vor allem um mediale Aufmerksamkeit und Forschungsgelder geht, und es viel wichtiger wäre, heute vom Aussterben bedrohte Tiere und ihre nötigen Lebensräume zu erhalten. Ich selbst finde die Forschung über das Genom längst ausgestorbener Arten zwar äusserst spannend, weil das zu ständig verbesserten Kenntnissen der Verwandtschaftsbeziehungen und der Evolution führt. Aber längst ausgestorbene Tiere lässt man besser in Illustrationen oder digitalen Animationen «aufleben» (Virtual Reality). 

Auf ihrer Website schreibt die Firma, dass ihr Projekt die Wiederbelebung des Mammuts sein wird – ein kälteresistenter Elefant mit allen biologischen Merkmalen des Mammuts. Er soll laufen wie ein Mammut, aussehen wie einer und in der Lage sein das gleiche Ökosystem zu bewohnen, welches durch das Aussterben des Mammuts verlassen wurde. Ist dieses Vorhaben so überhaupt realistisch? 

Wahrscheinlich würde es mit der weiter entwickelten Gentechnik (CRISPR/Cas9) möglich sein, in vielen zeit- und kostenaufwändigen Versuchen einen Elefanten mit verschieden langen Haaren, dicker Haut und Speckschicht, kurzem Schwanz, kleinen Ohren und passendem Rüssel zu rekonstruieren. Allerdings zweifle ich, dass dieses Hybridwesen alle biologischen Merkmale und Verhaltensweisen des ausgestorbenen Wollhaarmammuts haben wird. Da die Paläontologie das spezifische Verhalten der Mammuts nicht kennt, wird im besten Fall ein Wesen konstruiert, das der Vorstellung einiger «enthusiastischer» Forschenden entspricht. 

Können Sie für einen Laien erklären, wie aus Mammut-DNA wieder ein Tier entstehen soll? 

Die anfängliche Euphorie, dass man in tiefgefrorenen Kadaverresten von Mammutbullen sogar schockgefrorene Spermien finden würde, mit denen man Eizellen heutiger Elefantenkühe befruchten könnte, hat sich schon vor mehr als zehn Jahren als Illusion erwiesen. Ebenso der Versuch, intakte Zellkerne zu finden und diese dann in «ausgeräumte» Eizellen von Elefanten einzusetzen. So schreibt «Colossal Biosciences» nun von einer «proxy species», also von einer «stellvertretenden Art», bei der mittels komplexer Gentechnik (CRISPR/Cas9) genügend wichtige «Schlüsselgene» für Kälteresistenz, wie z.B. verschieden lange Haare, dicke Speckschicht und kleine Ohren, ins Genom von Asiatischen Elefanten implantiert und aktiviert würden. Das wäre aber eben ein künstlich veränderter Asiatischer Elefant oder «Quasi-Mammut». 

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Wie kommen Forscher und Wissenschaftler an Mammut-DNA und wie gut erhalten ist diese jeweils? 

Offenbar ist vor allem in tiefgefrorenen Mammut-Kadavern aus dem auftauenden Permafrost in Sibirien fragmentarische DNA überliefert. Die Qualität kenne ich nicht, das müssen Fachleute der Biotechnologie beurteilen. 

Zur Person
Heinz Furrer, Jahrgang 1949, studierte Geologie an der ETH Zürich und Paläontologie an der Universität Zürich, wo er 1981 seine Dissertation über die Gesteine und Fossilien der Trias/Jura-Grenze in den Ostalpen Graubündens abschloss. Nach befristeten Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schweizerischen Nationalfonds und Leiter der Geologischen Sammlung der ETH Zürich, war H. Furrer bis 2014 Kurator am Paläontologischen Institut und Museum sowie Dozent an der Universität und ETH Zürich. In dieser Funktion betreute er die umfangreiche Sammlung fossiler Wirbeltiere und Wirbellosen, baute das digitale Inventar auf und gestaltete verschiedene Ausstellungen. Daneben leitete er Fossiliengrabungen im Hochgebirge bei Davos (1992–2022) und im UNESCO-Weltnaturerbe Monte San Giorgio (1994–2004). Seit dem Fund eines Mammutskeletts im Sommer 2003 arbeitet Heinz Furrer auch an der Erforschung der reichsten Schweizer Mammut-Fundstelle in Niederweningen und ist paläontologischer Berater des 2005 eröffneten Mammutmuseums Niederweningen. 

 «Colossal Biosciences» spricht Mammuts einen hohen Wert zu, die Tiere seien «lebenswichtige Beschützer der Erde» und Mammuts wiederbeleben würde Elefanten retten. Wie sehen Sie den Stellenwert von Mammuts? Und was würden solche mammutähnlichen Elefanten den heutigen Ökosystemen bringen? 

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgewilderte rekonstruierte Mammuts den durch die Menschen gefährdeten Asiatischen und Afrikanischen Elefanten beim Überleben «helfen» können. Die asiatischen und afrikanischen Lebensräume (Steppen und Wälder sowie die wichtigen Wanderkorridore) müssen von uns Menschen geschützt werden. 

Was für einen Einfluss hatten die Mammuts auf das Ökosystem? 

Die vermutlich weit wandernden, hauptsächlich Gras fressenden Mammuts waren offenbar an die damaligen Grassteppen von Mittel- und Nordeuropa, Zentral- und Nordasien sowie Nordamerika angepasst. Vermutlich haben sie das Wachstum der lockeren Wälder während wärmerer Klimaphasen «kontrolliert/reguliert» und damit auch Platz für die eiszeitliche Begleitfauna mit Wollnashorn, Wildpferd, Bison, Rentier und grossen Fleischfressern etc. freigehalten. 

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Auf was für Probleme könnten Mammuts in der heutigen Zeit stossen? Kritiker monieren, dass zum Beispiel die Lebensräume nicht mehr erhalten sind.

Die an kühles und trockenes Klima angepassten Mammuts könnten heute praktisch nur in entsprechenden Klimabereichen des nördlichen Skandinaviens, Asiens und Nordamerikas leben. Sie würden aber durch die dort lebenden, vor allem in der Rohstoffindustrie arbeitenden Menschen bei den durch das Nahrungsangebot bedingten, jahreszeitlichen Wanderungen behindert und zudem unter der aktuellen Klimaerwärmung leiden. Natürlich könnte man mit entsprechendem Aufwand in der abgelegenen Tundra von Sibirien den propagierten «Pleistozän Park» schaffen, der touristisch interessant wäre. Aber das wäre ein unnötiger und unsinniger «Zoo» und eben tierethisch nicht vertretbar! 

Wie viel Futter und Wasser würde ein Mammut benötigen?  

Das eiszeitliche Mammut war wohl etwas genügsamer als die heutigen Elefanten, die pro Tag etwa 250 kg pflanzliches Material wie Gras, Zweige, Rinde, Wurzeln und Früchte fressen und 140-200 Liter Wasser trinken. Die harten Winter führten aber sicher zu jahreszeitlichen Wanderungen und Verlusten.